Katrin Göring-Eckardt
Katrin Göring-Eckardt ist Mitglied des Bundestages und Fraktionsvorsitzende von B’90/Die Grünen und 1966 in Gotha geboren und aufgewachsen.
Geblieben: Katrin wohnt aktuell in Berlin und Erfurt.
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Weshalb bist du geblieben?
Weil es nie einen guten Grund gab wegzugehen. Durch mein Studium kam ich nach Leipzig, danach arbeitete ich für die grüne Landtagsfraktion in Erfurt und später kam ich durch mein politisches Engagement nach Berlin.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Die autoritären Verhältnisse in der DDR, in denen ich aufgewachsen bin. Immer mehr hatte ich einen Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung, den ich dort nie ausleben konnte. Und: Tschernobyl. Da hat sich alles geändert. In den DDR-Nachrichten war die Katastrophe nur eine Randnotiz. Alles, was wir wussten, kam aus dem „Westfernsehen“. Aber so viel mehr wussten die auch nicht. In der Kirche, haben wir in diesen Tagen viel geredet und Informationen gesammelt, weitergegeben. Der GAU hat meine Generation tief erschüttert und war zugleich Aufbruchssignal. Was wird noch alles verheimlicht und vertuscht? Umweltbewegung in der DDR und kirchliche Oppositionsgruppen – sie alle bekamen Zulauf.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Es ist gar nicht viel Überzeugungsarbeit nötig. Wir haben wunderschöne Städte und Landschaften, Kultur, herausragende Universitäten. Frauen gehen selbstverständlich Vollzeit arbeiten während die Kinder in der KiTa sind. Wir dürfen den Osten nicht immer nur mit dem Westen vergleichen, er ist kein Abziehbild. Ganz im Gegenteil. Gerade in den Krisen spüren wir, dass die Erfahrung großer Veränderungen doch eigentlich hilfreich sein könnte, für Krisenbewältigung heute. Trotzdem müssen wir die vorhandenen wirtschaftlichen und sozialen Differenzen abbauen und jungen Menschen hier einen attraktiven Arbeitsmarkt und eine gute Infrastruktur bieten.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Thüringen ist für mich Heimat. Hier bin ich geboren, bin in der DDR aufgewachsen und auch heute noch ist Ostdeutschland mein Zuhause. Damals in der DDR ging es mir darum, mich von innen heraus aktiv für einen demokratischen Wandel einzusetzen und mich gegen die Verhältnisse aufzulehnen. Die ostdeutsche Identität und der Wunsch nach einem freieren Leben im eigenen Land waren ein wichtiger Motor für die intensive politische Auseinandersetzung und prägen mich bis heute. Das zweite war das Reaktorunglück von Tschernobyl und dass man in der DDR so tat, als habe es das nicht gegeben.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Das Misstrauen gegenüber Parteien, das bei Teilen der älteren Bevölkerung in Ostdeutschland existiert, liegt auch in der DDR-Vergangenheit begründet. Umso wichtiger ist es, dass wir den Menschen vermitteln, dass sie durch politisches Engagement etwas für sich und ihre Heimat verändern können. Und ich freue mich, dass wir bei den Grünen in den letzten Jahren wachsen, in Thüringen hat sich unsere Mitgliedschaft z.B. verdoppelt. Wir dürfen aber nicht vergessen: bürgerschaftliches Engagement findet nicht nur in Parteien statt. Viele Menschen engagieren sich z.B. auch in Verbänden, bei Bürgerinitiativen oder bei der freiwilligen Feuerwehr und leisten dort ebenso wichtige Arbeit für die Gesellschaft.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Damit Ostdeutsche dieselben Chancen haben wie Westdeutsche müssen wir Ungleichheiten effektiv bekämpfen. Wir Grüne fordern das seit vielen Jahren. Die Lohnungleichheit zwischen Ost und West kann beispielsweise durch flächendeckende Tarifverträge und durch eine bessere Mitbestimmung der Beschäftigten erreicht werden. Durch die Ansiedlung von Bundesbehörden in Ostdeutschland, von Forschungseinrichtungen und Stiftungen können wir den ungleichen Zugang zu Führungspositionen bekämpfen.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir für Ostdeutschland, dass es selbstbewusst in die Zukunft schaut und seine Stärken nach vorne trägt. Dass wir uns gemeinsam und mit allem, was wir haben, für die Stärkung der Demokratie einsetzen, gegen rechte Hetze, gegen Spaltung. Und dass immer mehr Menschen die Chance haben die wunderschönen Landschaften, die Orte, die kulturellen Stätten, die Menschen und ihre Erfahrungen zu entdecken. Und weniger Meckern und Jammern über den Osten wäre auch gut. Es ist ziemlich cool da.