Wir sind der

Osten

Kerstin Flade-Drechsel

Kerstin Flade-Drechsel ist Museologin und 1963 in Olbernhau geboren.

Geblieben: Kerstin wohnt nach wie vor in Olbernhau.

Foto: Foto Österreich

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Weshalb bist du geblieben?

Ich habe durch mein Wesen besonders tiefe „Wurzeln“ ausgebildet und ich lebe auch eher in die Tiefe als in die Breite, wenn ich das so formulieren darf. Mich interessieren die Zusammenhänge und Hintergründe von Lebenswegen, die Herkunft von Bräuchen und Traditionen und deren Entwicklung und Zukunft. Ich lebe in einer Landschaft, die seit 800 Jahren dadurch besteht, sich immer wieder neu zu definieren, und die sich von innen heraus immer weiterentwickelt. Die Menschen sind ausdauernd, naturliebend, herzlich, bescheiden und sesshaft. Das gefällt mir, darüber denke ich gerne nach und versuche, etwas sehr Persönliches und Eigenes dazu zu tun. Das gelingt sehr oft und das macht mich sehr glücklich.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich habe eine Manufaktur gegründet, die ein altes Handwerk pflegt und weiterentwickelt. Dabei ist es mir wichtig, dass jede Mitarbeiterin mit ihren Kenntnissen, Erfahrungen, Eigenschaften und Stärken wahrgenommen wird und ihr Potential einbringen kann. Es geht zuerst um Menschen, erst dann um Dinge. Letztendlich verbindet sich beides zu einem unverwechselbaren Produkt, das eine ganz eigene und einzigartige Geschichte erzählt. Die in den zurückliegenden 30 Jahren seit der Gründung gemachten Erfahrungen bringe ich jetzt in ein ehrenamtliches Engagement ein, bei dem Kinder „etwas mit den Händen tun“ und dabei auch diese gemeinschaftliche Form des Arbeitens und Lernens kennenlernen.

  • 1963

    Olbernhau

  • 2020

    Olbernhau

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

5 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich bin ein sehr sensitiver Mensch und speichere sehr viele Eindrücke ab, die zu Erinnerungen werden. Ich fühle mich meinem unmittelbaren Umfeld sehr verbunden. Ich habe Erfahrungen gemacht, die man nur in der DDR und damit in Ostdeutschland machen konnte. All das macht mich als Person aus, es ist sozusagen der Stoff, aus dem ich gemacht bin. Ich fühle mich nicht ostdeutsch, ich bin ostdeutsch.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Die Wende hat es mir ermöglicht, meine Wesensart und meine persönlichen Eigenschaften zu nutzen. Der Schritt in die Selbständigkeit war ein Abenteuer, aufregend und spannend. In der DDR wäre das nicht möglich gewesen. Später war Ausdauer, Durchhaltevermögen und immer wieder Dazulernen gefordert. Mein starkes Bedürfnis nach Eigenständigkeit konnte sich immer wieder neu erfüllen. Diese Erfahrung ist mir die wichtigste. Es gibt aber auch das gegensätzliche menschliche Bedürfnis, das nach Verbundenheit. Wie man das leben kann, habe ich in der DDR gelernt. Beide Erfahrungen gehören zusammen. Untrennbar!

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass die ganz eigenen ostdeutschen Erfahrungen als ein Schatz angesehen werden. Wir haben gelernt, wie man aus Nichts etwas macht (lösungsorientiert), wie man die Dinge nutzt, die da sind (regionale Ressourcen), wie man etwas immer wieder repariert (Nachhaltigkeit) oder aus etwas Altem etwas Neues macht (Upcycling). Wir wissen, wie man ohne Auto gut lebt, dass man mit der Bahn in den Urlaub fahren kann und dass fremde Gegenden schon in 100 km Umgebung erforscht werden können. Zum Beispiel… Die Liste lässt sich fortsetzen…