Klaus Lederer

Klaus Lederer ist Jurist sowie Bürgermeister und Senator (Die Linke) für Kultur und Europa des Landes Berlin und 1974 in Schwerin geboren, in Frankfurt/Oder aufgewachsen.

Geblieben: Klaus wohnt aktuell in Berlin.

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Weshalb bist du geblieben?

Ich bin nach Berlin (Ost) gekommen, weil ich von meinen Eltern hier hingezogen wurde. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich damals lieber in Frankfurt/Oder geblieben, denn da hatte ich meine Freund*innen und mein soziales Umfeld. Aus heutiger Perspektive bin ich aber ganz glücklich damit, dass meine Eltern sich damals durchgesetzt haben.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Die Monate des demokratischen Aufbruchs in der DDR waren eine unfassbar politisierende Erfahrung für mich. Ich habe am Runden Tisch von Berlin mitarbeiten dürfen, wir haben Jugendzentren übernommen und uns engagiert. Das war für mich der Anfang eines bis heute andauernden politischen Engagements außerhalb und in Parlamenten, ich zehre heute noch von der Erfahrung einer konsensualen Suche nach politischen Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Zu schnell wurde diese Form Politik durch die Rituale der Parteiendemokratie abgelöst und beiseite geschoben. Soziale Spaltung, Klimawandel, Erosion des Vertrauens in die demokratischen Institutionen – hier könnte eine Rückbesinnung darauf hilfreich sein.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Menschen brauchen eine Perspektive. Wenn sie diese nicht sehen oder nicht haben, dann fallen sie entweder durchs Raster oder ziehen weg. Da spielt es in meinen Augen keine Rolle, ob sie aus Ost- oder Westdeutschland kommen. Daher braucht es Angebote, um Menschen vor Ort zu halten, seien es Ausbildungsplätze oder soziale Infrastruktur. Ich finde die Diskussion wichtig, die ich vor Jahren schon intensiv eingefordert habe, was getan werden kann, um in Ostdeutschland nachhaltige und selbsttragende ökonomische Wertschöpfungsketten und damit auch Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Dies erfordert allerdings eine Investitionsoffensive, die einen solchen Strukturwandel unterstützen hilft.

  • 1974

    Schwerin

  • Frankfurt (Oder)

  • 2021

    Berlin

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Über 2/3 meines Lebens habe ich in Berlin, im vereinigten Deutschland verbracht. So gesehen fühle ich mich als Berliner, Europäer, Weltbürger. Aber natürlich gehören DDR und Osten zu meiner Biografie. Wir wurden ja zu Ostdeutschen, die nach 1989/90 dankbar zu sein hatten für D-Mark und Transfergeld, die aber stattdessen komisch gewählt haben. Mein Ostdeutsches ist eher das Nicht-Westdeutsche, die Erfahrung des plötzlichen Bruchs, aber auch der mangelnden Gelegenheit zur Selbstverständigung nach dem Ende der DDR. Klaus Wolfram sagte 2019: politische Debatte wurde wieder auf die Ebene des Privatgesprächs gedrückt, über „unsere“ Geschichte und Erfahrungen hat „uns“ „der Westen“ belehrt.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Der Osten wird medial regelmäßig als defizitär dargestellt. Das fußt sicherlich in Teilen auf realen Entwicklungen, aber oft sind solche Einschätzungen auch von Arroganz und Ignoranz geprägt. Gleichzeitig ist es natürlich so, dass in manchen Dörfern und Regionen Ostdeutschlands die Hegemonie von Nazis und Rechtsextremen ein großes Problem ist. Da kann ich es verstehen, dass junge, linke Menschen wegziehen. Und da kommen wir zum eigentlichen Punkt: Wir brauchen ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement, das aber dann auch politisch gestützt werden muss.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ich engagiere mich in der LINKEN, um bestehende Ungleichheiten zwischen Ost und West – Lohngefälle, Rentenungerechtigkeit – zu überwinden. Das halte ich für zentral, wie jede Art von Kampf gegen soziale Spaltung, gegen eine die großen Vermögen begünstigende Steuerpolitik ein Beitrag sind, um einheitliche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu befördern. Ansonsten ist es richtig, immer wieder darauf zu verweisen, dass ostdeutsche Erfahrungen und Biografien in Führungspositionen von Politik, Ökonomie, Wissenschaft und Medien immer noch massiv unterrepräsentiert sind. Dies prägt auch den defizitfokussierenden Blick auf Ostdeutschland.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Für Ostdeutschland wünsche ich mir, dass sich manche spezifisch ostdeutsche soziale Erfahrung sich auch in heutigen sozialen und ökonomischen Praktiken widerspiegelt, die eine andere Entwicklung ermöglichen als in den zurückliegenden 30 Jahren. Solidarische Ökonomie, sozialökologische Transformationen, eine andere Art des Umgangs miteinander – wenn Ostdeutschland hier modellhaft progressive Wege aufzeigen könnte, wie mit den existenziellen gesellschaftlichen Problemen des 21. Jahrhunderts umzugehen wäre – das würde eine großartige Perspektive sein!