Lena Saniye Güngör
Lena Saniye Güngör ist Mitglied des Landtages (Die Linke) in Thüringen und 1993 in Dortmund geboren und aufgewachsen.
Rübergemacht: Lena wohnt aktuell in Jena.
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Weshalb bist du rübergemacht?
Das Studium hat mich in den Osten verschlagen und ich hatte Lust darauf, etwas Neues zu erleben. Zu dem Zeitpunkt war der Osten für mich eine „unbekannte Ecke“ Deutschlands. Geblieben bin ich unter anderem wegen der sehr guten Universitäten und der Forschung. Hier gibt es eine wunderschöne Natur, aber auch günstige Mieten. Freunde, Liebe und natürlich auch mein politisches Engagement haben mich hierbleiben lassen. Ich denke, dass ich durch die Politik erst richtig im Osten angekommen bin, weshalb ich meine Stimme und meine Perspektive auch hier einbringen möchte.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Ich habe mich bereits in der Schule gesellschaftlich eingebracht. Als ich 2012 für das Studium nach Sachsen gegangen bin, begannen dort gerade die Pegida-Demonstrationen. Seither war ich viel auf der Straße aktiv, habe mich außerparlamentarisch eingebracht. Im Zuge der Bundestagswahl 2017 und dem zu erwartenden Ergebnis in Thüringen bin ich Mitglied der Linken geworden. Ich wollte selbst an den Tischen sitzen, an denen Leute wie ich sonst nicht sitzen, wo aber die Entscheidungen getroffen werden.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Berufliche Perspektivlosigkeit, die soziale Frage, Rassismus und Diskriminierung sind Gründe warum gerade viele junge Menschen dem Osten den Rücken kehren. Doch dies ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Wenn man etwas an der Situation hier ändern möchte, muss man bleiben und für Veränderungen kämpfen. Wir brauchen gerade junge Menschen mit frischen Ideen, die für einen bunten, weltoffenen und emanzipatorischen Osten streiten, für bessere Lebensbedingungen, Löhne und Renten.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Fühle ich mich als Ostdeutsche? Ja, da ich hier nun seit knapp 10 Jahren lebe. Ich bin als 18-jährige in den Osten gekommen und habe somit mein ganzes Erwachsenenleben hier verbracht. Ich engagiere mich für den Osten, streite für ihn und dass nicht erst, seit ich in der Politik bin. Deswegen fühle ich mich auch als Ostdeutsche. Natürlich kann ich nicht alle Aspekte des „ostdeutsch seins“ begreifen, da meine Familiengeschichte westdeutsch und migrantisch ist und ich beim Heranwachsen andere Privilegien und auch andere Herausforderungen hatte. Doch ich lebe im Osten, ich arbeite hier und engagiere mich. Ich möchte, dass sich der Osten positiv entwickelt und möchte Teil dieser Entwicklung sein.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Die vielen einschneidenden Erlebnisse – von der Nazidiktatur über die DDR bis zur Wiedervereinigung waren es nur zwei Generationen – haben das Vertrauen in die Demokratie vieler Menschen im Osten erschüttert. Die Situation im wiedervereinigten Deutschland, Verlust von Arbeit, fehlende Anerkennung der Lebensleistungen haben zu Frust und Resignation geführt. Dazu haben viele Menschen in der DDR-Erfahrungen mit „der Partei“ gemacht, weswegen eine Mitgliedschaft in einer Partei von manchen als anrüchig empfunden wird. Dies kann man nur Stück für Stück beseitigen. Die Angleichung von Löhnen und Renten und die Anerkennung der Lebensleistung der Menschen aus dem Osten, wären die ersten Schritte.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Genau dafür bin ich in die Politik gegangen. Ich möchte die Situation der Menschen, die hier leben, verbessern. Als Sprecherin für Arbeits- und Gewerkschaftspolitik der Linksfraktion im Thüringer Landtag bin ich selbst in einer Position, hier an entscheidenden Veränderungen mitzuarbeiten. Doch auch außerhalb der Parlamente kann man sich engagieren. Ich unterstütze viele Projekte und Organisationen, die sich dafür einsetzen, dass das immer noch herrschende Ungleichgewicht zwischen Ost und West verschwindet. Beispielsweise streite ich als Linke für flächendeckende Tarifverträge, die denen im Westen gleichen, um das Lohngefälle, aber auch Thüringens Status als Niedriglohnland entgegenzuwirken.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Für den Osten wünsche ich mir viele Dinge, die den Menschen hier eigentlich schon seit über 30 Jahren zustehen: Die Angleichung der Löhne und der Renten, die Anerkennung der Lebensleistung und eine Aufarbeitung von Treuhand und Co. Die Gesellschaft im Osten muss bunter, offener und emanzipatorischer werden mit einer klaren Kante gegen Rechts, um ein attraktiver Lebensort für alle zu sein. Das wünsche ich mir und dafür streite ich jeden Tag.