Wir sind der

Osten

Linda Baasch

Linda Baasch

Linda Baasch ist 1967 in Kiel geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Linda ist Kanzlerin der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und wohnt aktuell in Halle an der Saale.

Foto: Hochschulpressestelle Burg Giebichenstein

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle hatte eine attraktive Stelle angeboten. Ich habe vorher in Schwerin gearbeitet und bin daher von einem ostdeutschen Ort nach Halle gewechselt. Ich wollte gerne im Osten bleiben, weil ich mich hier so wohl fühle.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Die BURG bietet sehr gute Studienbedingungen in Kunst und Gestaltung, die Studierenden und die Lehrenden kommen aus den neuen und alten Bundesländern sowie aus dem Ausland. Einige unserer Absolvent*innen bleiben in der Region, gründen Betriebe, machen sich selbständig. Wir bieten auch gute Arbeitsplätze in Lehre und Verwaltung. Das alles stärkt Stadt und Region und ist mir deshalb sehr wichtig. Für die Kunst ist ein großer Neubau geplant. In Sachsen-Anhalt, aber auch in Deutschland überhaupt, werden selten Hochschulneubauten errichtet. Der Neubau mit dem Architekturwettbewerb kommt den Studierenden und Lehrenden der BURG, aber auch der Stadt und Region wirtschaftlich und ideell zugute.

  • 1967

    Kiel

  • Hamburg

  • Berlin

  • Schwerin

  • 2020

    Halle

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Die Frage ist so schwarz-weiß nicht passend zu beantworten. Meine Kollegin, die ich ob der Frage ratlos anschaute, fragte zurück: „Wie fühlt man sich denn ostdeutsch?“. Meine Kollegin kommt aus dem Osten.

Letztlich habe ich „nicht ostdeutsch“ gewählt, weil ich im Westen aufgewachsen bin. Die politischen Verhältnisse und gesellschaftlichen Bedingungen in der DDR habe ich nicht erlebt.

Beruflich habe ich die Bedingungen im Osten und im Westen im Blick, vor allem wenn es um bundesweite Fragen v. a. der Finanzierung und strukturelle Unterschiede geht. Natürlich ist meine Haltung, dass ich mich klar für den Osten einsetze.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Das ist eine komische Frage. Nord-Süd wäre für die Freunde und die Familie eher ein Thema gewesen. Halle ist der Ort, an dem ich mich engagiere.

Halle habe ich 1986 kennengelernt. Ich war mit der Schule auf einer Rundfahrt durch die DDR. Halle hat mir schon damals gut gefallen. Der erhalten gebliebene Stadtkern hat mich, die ich aus einer stark kriegszerstörten Stadt stamme, sehr beeindruckt. Wir hatten in der Familie keine Ost-Verwandtschaft, Tourismus in die DDR gab es so nicht. Ich freue mich, dass ich so schon vor der Wende hier war.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Westdeutsche hatten im Osten neue Möglichkeiten. Seit den 90er-Jahren sind viele Westdeutsche in den Osten gegangen, da sie berufliche Chancen ergreifen konnten. Für viele Ostdeutsche waren sicherlich die Brüche, sowohl die politischen als auch die im Beruflichen und Privaten, eine Herausforderung, die die Westdeutschen nicht bewältigen mussten. Ob Westdeutsche im Osten heute einen Vorteil haben, hängt auch davon ab, ob sie hier angekommen sind. Aus meiner Sicht ist die berufliche Position das eine. Das andere ist, ob man gerne hier ist. Wer das bejaht, hat einen deutlichen Vorteil.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Ich schätze sehr die große Kollegialität im Arbeitsalltag, die Orientierung an der Gemeinschaft.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist selbstverständlicher. Das wirkt sich nicht nur für die Einzelnen positiv aus. Ein Beispiel: Wenn bei uns eine Frau Mutter wird, dann weiß ich, dass sie bald wieder da ist, vollzeitnah. Ich kenne die Diskussion um die Frage „Wer führt den Osten?“. Dabei ist natürlich zunächst im Fokus, ob mehr Ost- oder Westdeutsche in Führungspositionen sind. Ich möchte den Blick aber auf einen anderen Aspekt lenken. Nach wie vor sind im Osten mehr Frauen in Führungspositionen als im Westen. Der Osten hat eine deutliche Stärke in der Gleichstellung.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Wirtschaftlichen Erfolg und demographisch, gesellschaftlich und politisch stabile Entwicklungen. Ich wünsche mir auch, dass der Osten mit seinen vielen Stärken noch besser sichtbar wird und die Erfahrungen aus dem Osten, gerade auch was Umbrüche und Systemfragen betrifft, stärker gehört wird.