Linda Vierecke

Linda Vierecke ist Journalistin sowie Sprecherin für Umwelt und Klimaschutz der SPD-Fraktion und 1984 in Brandenburg an der Havel geboren und aufgewachsen.

Gegangen: Linda wohnt aktuell in Berlin.

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Weshalb bist du gegangen?

Als Journalistin wollte ich nach dem Studium dorthin, wo es die spannendste Arbeit gab. Nach Berlin, wo ich anfing bei der Deutschen Welle zu arbeiten. Diese Stadt, die sich so stark gewandelt hat in den letzten zehn Jahren, in der so viele Menschen aus aller Welt zusammen kommen und wo man an jeder Straßenecke an die Geschichte erinnert wird. Ost und West sind für mich stets präsent. Meine Heimatstadt Brandenburg ist nur eine Stunde Regionalbahnfahrt entfernt, auch das ist mir wichtig, denn ich möchte die Verbindung dorthin zu halten. Bis heute bin ich dort noch in einem Verein engagiert.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Ich habe als Journalistin immer wieder über Missstände berichtet – irgendwann wollte ich sie angehen, konkret etwas ändern. Ich war knapp sieben Jahre alt als die Mauer fiel. Danach habe ich erlebt, wie unsere Eltern ihre Jobs verloren – auch mein Papa. Dieser krasse Strukturwandel hat den Leuten den Boden unter den Füßen weggezogen. Und vielerorts ging der soziale Zusammenhalt verloren. Das darf uns nicht noch mal passieren. Diese Überzeugung leitet mich bei meinem politischen Engagement. Klar – Regine Hildebrandt von der SPD ist da für mich ein Vorbild, weil sie nicht gescheut hat, Klartext zu reden. Und sie hat viele Menschen im Osten eine Stimme gegeben.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Oft erlebe ich, dass junge Menschen bleiben wollen, ihnen aber die Perspektiven fehlen. Diese konkret zu schaffen ist natürlich auch Aufgabe der Politik. Und dabei geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch darum engagierte Menschen im Ehrenamt zu fördern, Vereine zu fördern und Freiräume, eben Orte, an denen junge und auch ältere Menschen wirken können.Manchmal hilft es auch, die Menschen anzusprechen: „Solche wie dich brauchen wir hier!“

  • 1982

    Brandenburg an der Havel

  • USA

  • Chile

  • Polen

  • Bolivien

  • 2021

    Berlin

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Diese Erfahrung des Umbruchs, die wir alle gemacht haben, das macht mich ostdeutsch und hat mich stark geprägt: Jedes System ist veränderbar, der Wandel kommt. Und wir können (und müssen) ihn gestalten. Auch, dass unsere Mütter im Osten alle gearbeitet haben, ist etwas, das mich geprägt hat und ich bei meiner Familiengründung für selbstverständlich gehalten habe. Und: Mein Blick geht ganz selbstverständlich in den Osten. Mich interessiert nicht nur Ostdeutschland, sondern auch Polen, Tschechien, die Ukraine. Ich fand den Osten immer spannend: ein bisschen unfertig. Mehr Raum zu gestalten.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Ich merke, dass gerade die Menschen in Ostdeutschland eine Art Abneigung haben gegen Parteipolitik – das sind „die da oben“. Das hat ganz klar mit der DDR-Geschichte zu tun, in der es nur die eine Partei gab und man sich lieber raushielt aus dem Politischen. Ich hatte da anfangs auch Berührungsängste, habe aber schnell gemerkt, dass wir alle in Parteien gestalten können, dass wir unterschiedliche Stimmen dort brauchen. Ostdeutsche Stimmen fehlen vielerorts – Frauen sind unterrepräsentiert. Ich möchte speziell auf Frauen mehr zugehen, ihre politischen Themen hören und einbeziehen. Wenn sie den Gang in den Ortsverein scheuen, dann komme ich erstmal zu ihnen und hol mir die Themen ab.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ich thematisiere, dass es noch immer eine krasse Chancenungleichheit gibt zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen – das gilt für das Erbe, Löhne und auch die Rente. Dieser gesellschaftliche Dialog auch über die Nachwendezeit und die Ungerechtigkeiten, die sich damals manifestiert haben, ist wichtig. Und dann muss konkret werden: ein Pakt für strukturschwache Regionen ist enorm wichtig. Wir brauchen zudem mehr Kontrolle über Grund und Boden, damit wir bezahlbaren Wohnraum schaffen können. Und wir müssen eben – gerade im Osten – in die Zivilgesellschaft investieren, demokratische Initiativen fördern, die Bürger:innen noch viel stärker mit einbeziehen in demokratische Prozesse.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Anfang der 90er, als ich in die Grundschule ging, waren wir alle gleich: Unsere Eltern hatten keinen Reichtum aufgebaut, den sie uns vererben konnten, hatten keine Netzwerke und konnten uns nur wenig helfen in diesem „neuen System“. So schwer es auch war, hatte es einen Vorteil: Wir Kinder hatten damals die gleichen Startbedingungen. In der Schule meiner Töchter erlebe ich das heute anders – die Unterschiede sind schon ab Klasse 1 riesengroß. Ich wünsche mir, dass wir das ändern, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich wieder schließt statt weitet. Wenn wir es schaffen unsere Schulen zu Orten auszubauen die Startchancen wieder ausgleichen, dann wäre das ein erster, wichtiger Schritt.