Malte Ehrich
Malte Ehrich ist 1986 in Mölln geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Malte lebt heute in Holdorf und arbeitet als Referent für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Ich bin nicht gezielt nach Ostdeutschland gegangen. Ich wollte in den Norden zurück – und raus aus dem Hamsterrad aus Mietzahlung und Lohnarbeit. Denn für ein möglichst selbstbestimmtes Leben braucht man auch finanzielle Freiheit. Die gibt es für die normale Mittelschicht in den Großstädten kaum noch. Außerdem wollten wir viel Platz, drinnen wie draußen. Da sind wir in Ostdeutschland fündig geworden.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Am Finanzministerium von Mecklenburg-Vorpommern beurteile ich die wirtschaftliche Entwicklung. Ich überlege, wie Mecklenburg-Vorpommern nach dem quantitativen Wachstum stärker das qualitative Wachstum in den Blick nehmen kann. Am Ende braucht man eine starke Wirtschaft, um den Menschen eine Perspektive geben zu können. Privat interessiere ich mich für den ländlichen Raum. Zusammen mit Arielle und Jan von Raumpioniere Oberlausitz habe ich deren Außenstation Westmecklenburg gegründet. Mein Steckenpferd sind alte Tierrassen, von denen wir bereits Wollschweine, Pawlowskaja-Hühner und pommersche Landschafe halten.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Ja. Holdorf ist meine neue Heimat und sie liegt in Mecklenburg-Vorpommern. Damit bin ich nun ostdeutsch, es ist Teil meiner Identität.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Wir bekommen auch drei Jahre später immer noch fast jedes Wochenende Besuch aus dem In- und Ausland. Die Menschen sind neugierig und schätzen unsere Entscheidung. Allerdings sagen auch viele: „Für mich wäre das ja nichts im Osten.“ Das zeigt, wie stark die Mauer noch in den Köpfen ist. Wir sind in Schleswig-Holstein dicht an der ehemaligen Grenze aufgewachsen. Es gab auch Neid, weil wir uns an Subventionen gewöhnt hatten, die nun ein paar Kilometer weiter flossen. Außerdem mussten wir uns wieder stärker auf dem Arbeitsmarkt anstrengen.
Ansonsten sind aber viele sehr positiv. Die Berliner und Hamburger lieben es.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Ja. Der Osten musste die Spielregeln des Westens lernen, wenn er die D-Mark haben wollte. Das dauert seine Zeit. Dadurch können natürlich auch Strukturveränderungen entstehen; nämlich, dass sich der Westen im Osten dann selbst reproduziert. Die starke Abwanderung hat den Osten auch geschädigt, gleichwohl diese natürlich im Einzelfall stets nachvollziehbar ist. Man darf aber nicht vergessen, dass die wirtschaftlichen Zentren historisch betrachtet eher selten auf dem Gebiet der neuen Bundesländer lagen.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Man hat hier Platz und Freiraum, um sein Leben zu gestalten. Außerdem wird man nicht ständig abgelenkt und kann sich besser auf das Wesentliche konzentrieren. Ich schätze die Bodenständigkeit und das Unaufgeregte. Manchmal, denke ich, segelt ein kleiner Buddah über Mecklenburg-Vorpommern.
Die Wiedervereinigung habe ich immer für einen Erfolg gehalten. Ich muss das schreiben, weil es in meinem engen alten Bekanntenkreis aus Schleswig-Holstein auch andere Meinungen gibt. Ansonsten denke ich sehr in der Kategorie Stadt-Land. Ich hoffe, dass die tolle Ländlichkeit des Ostens irgendwann dessen Stärke wird.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir, dass man die Schablone aus Ost und West bald nicht mehr braucht.