Marc Groß
Marc Groß ist Landesgeschäftsführer des DRK-Landesverband Baden-Württemberg e.V. und 1978 in Sangerhausen geboren.
Gegangen: Marc lebt heute in Stuttgart.
Foto: Sven Rogge
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Weshalb bist du gegangen?
Bewusst habe ich nie entschieden zu gehen. Die Heimat ist dort wo, man herkommt, das ist in einem drin. Das macht mich aus und das ist mir ein Kompass, gestern wie heute. Ich ging, weil es sich so ergab. Und seitdem frage ich mich, ob das so ok ist. Ob es ok ist, nur noch an seine Heimat zu denken, ab und an. Oder ob man seiner Heimat nicht mehr schuldet, als ab und an. Meine Heimat ist mir nicht böse. Sie klagt nicht an. Und doch ist da immer was zwischen uns. Ich sehne mich nach den kugelrund welligen Hügeln des Thüringer Ostens. Ich sehne mich danach, mit meinen Freunden Bälle an die schroffen Fassaden von Neubaublöcken zu bolzen. Und dann bin ich wieder im Hier. Da ist was zwischen uns.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich glaube daran, dass Menschen mit Energie und Tatendrang Dinge bewegen können, gleich wie schwierig die Rahmenbedingungen auch sein mögen. Den zähen langen Weg zu gehen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ich tat das in einer Uniform in Afghanistan. Und ich tue das jetzt im Deutschen Roten Kreuz und in meiner Freizeit auf Poetryslam-Bühnen. Und wenn ich Dinge schreibe, dann meine ich nicht die großen, komplexen Weltproblemlösungen, sondern die kleinen Schritte, meine Schritte. Ich meine, wann immer es geht, für Chancengleichheit einzustehen. Ich meine, wann immer es geht, Menschlichkeit zur Maxime meines Handelns zu machen. Das gelingt auch nicht immer. Den Versuch ist es wert.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Vieles von dem, wofür ich heute stehe, was mich heute ausmacht, kommt nun mal da her. Meine Heimat ist meine Kindheit in Gera, meine Klassenkameraden in Bieblach, meine Ur-Oma in Sangerhausen, mein Vater bei seiner Arbeit im Uran Bergbau Ronneburg. Und Gera liegt halt nicht im Norden, Westen oder Süden von Deutschland. Es liegt und lag schon immer im Osten und deswegen fühle ich mich auch ostdeutsch. Lange habe ich irgendwie versucht, meine Mundart irgendwie anders klingen zu lassen. Heute freu ich mich wie Schnitzel, wenn meiner Tochter mich manchmal fragt: “Wie redest du auf einmal, Papa?“ Das passiert meistens dann, wenn ich mit Oma Helga telefoniert habe, die noch in Thüringen lebt.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Mit dem Niedergang der Wismut verlor mein Vater seinen Job. Er war über zwanzig Jahre im Bergbau. Ich erinnere mich gut daran, wie er wieder auf die Schulbank musste. Wir übten gemeinsam Dreisatz. Er mochte Mathe genau so wenig wie ich. Als er seine Umschulung zum Klempner abgeschlossen hatte, versuchte er in der Region Arbeit zu finden. Ohne Erfolg. Also ging er auf Montage. Österreich, Schweiz, Frankreich. Manchmal war er nur einmal im Monat zu Hause. Meine Mutter organisierte derweil mich, meine Schwester und ihren Beruf. Seit mehr als 10 Jahren leben meine Eltern nun glücklich nahe der Schweizer Grenze. Bis heute gereicht mir ihr unbändiger Wille, immer positiv zu bleiben, zum Vorbild.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir vor allem anderen Wertschätzung. Ehrliche, ernst gemeinte Wertschätzung für den Osten Deutschlands. Und zwar für die Menschen. Nicht für historische Bauwerke, nicht für modernisierte Straßen oder immergrüne Landschaften, sondern für all diejenigen, die den Osten, im Osten positiv gestalten. Die sich tagtäglich im Kleinen aufopfern, um Ostdeutschland zukunftsfit zu machen. Und damit meine ich nicht mich. Damit meine ich Kai, Roy und Verena. Meine Freunde gestalten da „Drüben“ Zukunft. Sie setzten auf ihre Weise Zeichen, gegen die weniger Vernunftbegabten, die sich immer mehr Raum verschaffen. Ich bin sehr stolz auf euch und euren Einsatz. Bleibt da dran.