Wir sind der

Osten

Marco Scheel

Marco Scheel ist Gründer und Geschäftsführer von Nordwolle Rügen, wurde 1989 in Bergen auf Rügen geboren und ist dort aufgewachsen.

Zurückgekehrt: Marco wohnt aktuell in Teplitz.

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Die Mentalität der Leute hier in Mecklenburg-Vorpommern entspricht mir einfach. Außerdem mag ich die offene, großflächige Landschaft, in der nicht jeder Quadratmeter umzäunt ist. So etwas gibt es in den alten Bundesländern nicht. Mir gefällt die dünne Besiedelung hier oben: Bis du nach Teplitz im nächsten Dorf bist, fährst du vier Kilometer!
Meine Rückkehr hat aber auch mit meinem Unternehmen Nordwolle zu tun: Wir haben einen bezahlbaren Ort gesucht, wo wir uns niederlassen können und Entwicklungsfreiraum sehen. Das war hier der Fall, woanders hätten wir uns so einen Standort mit Autobahnanbindung und den Anschluss an die touristische Region nicht leisten können. So bleiben wir nah dran an unseren Ladengeschäften auf Rügen und auf Hiddensee. Außerdem sitzen hier auch die Schäfer, die uns alle beliefern, das ist optimal.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich versuche in ökologischer und sozialer Hinsicht Dinge anders zu machen und vorzuleben.
Bei Nordwolle umfasst das die Herstellung der Textilien, für die wir soweit es geht, deutsche Rohstoffe verwenden und die gesamte Wertschöpfungskette von der Schweißwolle auf dem Schaf, bis zum fertigen Produkt in Deutschland abbilden.
Unser sozialer Ansatz beinhaltet, dass ich kein Freund bin vom Konzept Work 2.0. Durch Remote Work wird Arbeitnehmern mehr Arbeitszeit zu schlechteren Rahmenbedingungen aufgebrummt. Homeoffice und co. sind für viele Unternehmen außerdem nur Vorwand, um sich die besten Leute auf dem Arbeitsmarkt zu sichern. Aber wenn du als lokales Unternehmen tätig bist, gibt es vor Ort auch eine Menge Leute, die keinen akademischen Hintergrund haben. Ich freue mich mit Nordwolle auch diesen Leuten Arbeitsplätze anbieten zu können, womit sie am Zahn der Zeit bleiben. Sonst werden das schlimmstenfalls Querdenker und AfD-Wähler.

  • 1989

    Bergen auf Rügen

  • Oldenburg

  • 2019

    Teplitz

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

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Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich tüftel und bastel gerne. Ich schmeiße Dinge nicht gerne weg, sondern versuche sie zu reparieren. Ich hänge an alten Maschinen, auch wenn sie nicht ganz so produktiv sind. Und ich mache gerne Tauschgeschäfte. Für mich sind das alles Eigenschaften, die ich als typisch ostdeutsch bezeichnen würde.
Ich habe auch das Gefühl, dass Menschen im Osten bei vielen Sachen ein bisschen gelassener sind oder gelassener bleiben.
Dagegen sagt man Ostdeutschen aber auch nach, dass sie mit ihren Talenten immer hinter’m Berg halten. Das trifft auf mich eher nicht zu, da bin ich nicht so typisch.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

In Ostdeutschland gab es vor der Wende kaum Selbstständige. Das hat zur Folge, dass ich in meinem Umfeld niemanden habe, der einen unternehmerischen Hintergrund hat. Dadurch fehlen mir viele best practice Beispiele im Unternehmerdasein und ich habe oft das Gefühl, das Rad wegen Problemen neu erfinden zu müssen, die andere Unternehmer längst gelöst haben.
Aber dieses Manko kann man auch positiv umkehren, denn so fehlen mir auch die negativen Eigenschaften von anderen Unternehmern. „Alle haben gesagt, es geht nicht, bis einer kam, der’s nicht wusste und der hat’s dann gemacht.“ An diesem plakativen Spruch ist sehr viel Wahres und diese Unvoreingenommenheit sehe ich als einen Vorteil von ostdeutschem Entrepreneurship.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Meine Frau kommt aus Ahlen in Westfalen. Dort gibt es einige größere Betriebe, die alle gebürtig aus Ahlen kommen. Die Stadt wird gestützt von diesen ansässigen Unternehmern, die sich für ihre Heimat einsetzen.
Hier in Ostdeutschland haben aber diese Westunternehmer direkt nach der Wende Firmen in ihrer Branche aufgekauft und abgewickelt, um Konkurrenz zu vermeiden. Dadurch fehlt hier gewachsenes und engagiertes Unternehmertum.

Für Ostdeutschland würde ich mir wünschen, dass wir in einem langsamen und strukturellen Wandel den Prozess nachholen, den wir eigentlich zur Wende hätten haben müssen: Die Gelegenheit zu lernen, wie Marktwirtschaft funktioniert und die Gelegenheit, Eigentum an unserer eigenen Umgebung zu erlangen.