Maria Wersig
Maria Wersig ist Professorin und Verbandspräsidentin und 1978 in Weimar geboren und in Niederzimmern aufgewachsen.
Gegangen: Maria lebt heute in Berlin.
Foto: Hoffotografen
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Weshalb bist du gegangen?
Ich bin zum Studium der Rechtswissenschaft 1998 nach Berlin gegangen. Mich reizte die zusammenwachsende Stadt und ich dachte, in Berlin würde die Herkunft ost-west keine so große Rolle spielen, wie es bei einem Umzug als junge ostdeutsche Frau in eines der westdeutschen Bundesländer wohl der Fall gewesen wäre. Ich habe es nie bereut und interessanterweise aber immer in „westlichen“ Stadtteilen gelebt, heute schaut mein Arbeitszimmer auf den ehemaligen Grenzstreifen. Meinen Mann, einen West-Berliner, hätte ich wohl nie kennengelernt ohne die friedliche Revolution und die Wende.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich bin Juristin und setze mich dafür ein, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen Realität wird. In meinem Beruf als Professorin habe ich einen Schwerpunkt im Antidiskriminierungsrecht und befasse mich mit Themen wie Altersarmut oder Benachteiligung von Alleinerziehenden. Recht kann viel bewegen – entweder den Status Quo zementieren oder Motor sein für Veränderungen. Ich möchte die Dinge nicht nur analysieren, sondern für Gesetze eintreten, die die Gleichstellung voranbringen. 2017 wurde ich als erste ostdeutsche Frau zur Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes gewählt, eines der wichtigsten Frauenverbände in Deutschland (und 2019 wiedergewählt).
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich ostdeutsch, weil ich in Ostdeutschland geboren und aufgewachsen bin und mich meiner Heimat und ihren Menschen besonders verbunden fühle. Gleichzeitig nehme ich wahr, dass für viele Menschen aus Westdeutschland „ostdeutsch“ sein, keine Rolle spielt, Ostdeutsche aber auch nicht ausreichend repräsentiert sind in wichtigen Positionen unserer Gesellschaft. Deshalb finde ich es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es ostdeutsche Realitäten, Biografien und Perspektiven gibt. Die Bedeutung des „Otdeutsch-Seins“ entsteht also für mich auch gerade daraus, dass es in der Öffentlichkeit, in den Medien und für so viele Menschen scheinbar keine Rolle spielt bzw. wegen der Marginalisierung.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ostdeutsche können anpacken. Die Wendeerfahrung und der Umgang meiner Eltern damit haben mir gezeigt, dass es wichtig ist, aus jeder Situation das Beste zu machen; immer zu versuchen, die Dinge zu gestalten. Sie sind für mich Vorbilder, denn sie haben in der DDR viele Bildungschancen nicht erhalten, wegen Ablehnung der SED Parteimitgliedschaft, und nach der Wende für unsere Familie viel geleistet. Meine Kindheit in der DDR, die Benachteiligung, die meine Eltern aufgrund ihrer politischen Haltung erfahren haben, haben in mir den Wunsch geweckt, für Gerechtigkeit einzutreten und Diskriminierungen zu bekämpfen. Meine ostdeutsche Herkunft gibt mir Selbstvertrauen und Mut für die Zukunft.
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir eine vielfältige und lebendige Demokratie in Ostdeutschland und mehr Unterstützung für zivilgesellschaftliche Initiativen, Projekte der politischen Bildung und Kunst und Kultur. Bereits jetzt ist der Osten für viele Probleme unserer Gesellschaft ein Ort, wo Innovationen passieren. Brandenburg und Thüringen haben zum Beispiel als erste Bundesländer Gesetze zu (Geschlechter)Parität in den Parlamenten auf den Weg gebracht und sind somit vorangeschritten. Mehr Anerkennung, mehr Sichtbarkeit, mehr Unterstützung für die Menschen, die in Ostdeutschland für eine gute und lebenswerte Zukunft arbeiten, das fände ich gut.