Marie-Luise Eberhardt
Marie-Luise Eberhardt ist Medienkünstlerin und Journalistin und 1989 in Weimar geboren.
Gegangen: Marie-Luise wohnt aktuell in Essen.
Foto: Lorenza Kaib
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Weshalb bist du gegangen?
2012 startete ich meine große Reise ans andere Ende der Welt: nach Neuseeland. Ich brauchte frische Luft und wollte einfach mal raus aus der bekannten Kleinstadt. Diese anderthalb Jahre Freiheit haben mich sehr geprägt. Mir sind so viele unterschiedliche Lebenskünstler*innen begegnet, die mir gezeigt haben, dass es sich lohnt, für die eigenen Träume und Ideen zu kämpfen. Zurück in Weimar hat mich tatsächlich der Masterstudiengang Literatur und Medienpraxis in den Ruhrpott geführt. Seitdem entdecke ich die Vielschichtigkeit des ehemaligen Kohlereviers, möchte aber immer mehr gen Osten zurück.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ob uralter Baum, inspirierende Persönlichkeit, unterstützende Initiative: Im Fokus meiner Medienarbeit stehen Lebewesen und Projekte, die mit Hoffnung und Lebensfreude das Gegenüber wachkitzeln, aber auch Probleme benennen und Lösungen suchen. Mit Text, Bild, Ton und Film erzähle ich Geschichten und mache auf kleine unscheinbare Dinge aufmerksam. Meine Medien-Workshops möchten Klein und Groß ermutigen, Ihre Stimme und Kreativität zu benutzen. Unsere Zukunft braucht Mut, Verständnis, Kreativität, Experimente und einen respektvollen Umgang mit allen Lebewesen. Das versuche ich sowohl im Job als auch privat umzusetzen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Für mich war meine ostdeutsche Herkunft kein Thema. In der Ferne fielen mir allerdings einige Unterschiede zu den fast ausschließlich aus dem Westen kommenden Tourist*innen auf. Die Neuseeland-Reise schien für sie selbstverständlich, für mich aber etwas ganz Besonderes zu sein. Zudem hatten die wenigsten Einheimischen schonmal etwas von Oststädten wie Leipzig oder Erfurt gehört. Im Ruhrgebiet wurde und werde ich auch immer wieder mit Menschen konfrontiert, die noch nie in Ostdeutschland waren, wenig über die DDR oder die Wendezeit wissen und Ossiwitze lustig finden. Ich selbst beschäftige mich derzeit für ein Featureprojekt mit der Nachwendezeit und fühle mich mehr und mehr ostdeutsch.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Meine Eltern haben mir mit vielen Ausflügen die Schönheit der Natur gezeigt. Durch sie habe ich gelernt, auch mit wenig zufrieden zu sein und Dinge selber zu bauen. Sie haben für eine gerechtere Gesellschaft demonstriert und auch nach dem Fall der Mauer politisch Verantwortung übernommen. Diesen Mut, für Menschlichkeit einzustehen, haben sie mir mitgegeben. Meine Mutter verlor durch die Deutsche Einheit ihren Job als Journalistin. Sie war nun öfters arbeitslos oder hat Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen absolvieren müssen. Trotzdem hat sie jeder Arbeit etwas Positives abgewonnen. Die Arroganz und Ausbeutung durch westdeutsche Chefs war allgegenwärtig, hat aber nichts an der menschlichen Hingabe meiner Eltern geändert.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir für Ostdeutschland, dass der menschenverachtende und gewalttätige Einfluss von AfD und Co. abnimmt! Die persönlichen Brüche und politischen Fehler der Einheit sowie die DDR-Vergangenheit müssen aufgearbeitet und respektiert werden. Ostdeutsche müssen gleich Löhne und Aufstiegschancen erhalten. Ich wünsche mir auch, dass sich Ost und West noch offener, neugieriger und unvoreingenommener begegnen: sich der Blick mehr auf die vielen kreativen, besonderen und mutigen Menschen richtet. Kommt mal rüber!