Wir sind der

Osten

Markus Rosenbaum

Markus Rosenbaum

Markus Rosenbaum ist 1967 in Köln geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Markus wohnt aktuell in Leipzig, wo er eine eigene Firma gegründet hat und deren Geschäftsführer ist.

Foto: LF-Gruppe

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Ich komme aus Köln und der Kölner ist eigentlich dafür bekannt, seine Heimat ungern zu verlassen. So war das bei mir auch: Ich habe meine Ausbildung in Köln gemacht, an der Universität zu Köln studiert und war für ein Jahr in Dublin. Nach dem Studium habe ich 1997 ein Jobangebot als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Leipzig bekommen. Sonst wäre ich ehrlicherweise wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, in den Osten zu gehen. Ich dachte, ich komme für zwei oder drei Jahre und gehe dann wieder zurück nach Köln. Dann habe ich aber angefangen, in Leipzig mein Unternehmen aufzubauen, eine Familie zu gründen – und jetzt bin ich schon seit 23 Jahren hier.

Wie gestaltest du die Zukunft?

2000 war ich einer der Gründer der Versicherungsforen Leipzig – und ahnte damals noch nicht, dass daraus eine ganze Unternehmensgruppe entstehen sollte. Wir bieten Forschung und Entwicklung sowie Innovationsmanagement für Dienstleistungsbranchen und bringen in Branchen- und Netzwerkevents Menschen aus dem deutschsprachigen Raum zusammen, in der Regel in Leipzig. Viele waren bei einer unserer Veranstaltungen zum ersten Mal im Osten. Allerdings: Mir geht es nicht in erster Linie darum, zu zeigen, wie schön der Osten ist. Mir ist wichtig, hier hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen zu haben und weitere zu schaffen, damit Menschen bleiben können, zurückkehren oder dauerhaft herkommen.

  • 1967

    Köln

  • Dublin

  • Heute

    Leipzig

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

4 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Nein. Ich fühle mich deutsch, weder ostdeutsch noch westdeutsch. Ich finde die Unterscheidung in westdeutsch oder ostdeutsch per se kritisch – was nicht ausschließt, dass jede Region nicht ihre eigene Identität haben darf. Aber im Westen würde man niemanden fragen, ob er westdeutsch ist. Das gibt es nur für den Osten. Wenn mich jemand fragt, wo ich herkomme, dann sage ich: Ich wohne in Leipzig, hier ist mein Zuhause. Aber ich fühle mich auch noch als Kölner, das ist meine Heimat.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Meine Familie hat es damals nicht verstanden, warum ich überhaupt Köln verlasse – und dann auch noch in den Osten gehe. Aber für ein paar Jahre fanden sie die Vorstellung okay und so dachte ich ja auch. In Leipzig habe ich mich von Anfang an sehr wohl gefühlt. Ich hatte nie das Gefühl, als Wessi komisch angeguckt zu werden. Mit der Geburt meiner beiden Söhne und der Gründung meines Unternehmens hat es starke Verwurzelungseffekte gegeben. Was ich bis heute schwierig finde, ist, in ostdeutsche Freundeskreise aufgenommen zu werden. Mein Freundeskreis ist bis heute eher westdeutsch geprägt, mit Menschen, die wie ich hierhergekommen sind, sich neu orientieren mussten und so gefunden haben.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Für mich wie für viele andere aus dem Westen galt in den 90er-Jahren: Wir kamen aus einem soliden Wirtschaftssystem, kannten materielle Sicherheit und gingen in den Osten, um uns auszuprobieren. Wenn das nicht klappt, geht man eben zurück. So war die Devise. Westdeutsche hatten oft bessere Startchancen, weil sie zum Beispiel einfach die richtige Ausbildung für bestimmte Jobs hatten.

Ich sehe übrigens auch heute noch einen großen „Braindrain“ in den Westen, vor allem bei Leuten, die hoch qualifiziert sind – schlicht weil es zu wenige Arbeitsplätze für topausgebildete Menschen gibt.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Was mich am meisten beeindruckt, ist die Offenheit der Menschen. Die Offenheit, sich auf neue Dinge, neue Menschen und Kulturen einzulassen – das geht vielfach über die der Westdeutschen oder des Kölners hinaus. Das ist deswegen so bemerkenswert, weil die Vorurteile gegenüber dem Osten, die ich auch in mir hatte, genau das Gegenteil sagen.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir für den Osten mehr Selbstbewusstsein. Und ich wünsche mir von den Westdeutschen eine differenzierte Sicht auf den Osten und nicht den ständigen Impuls, dass der Osten so werden muss wie der Westen.