Martin Umhau
Martin Umhau ist 1961 in Neckarbischofsheim geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Martin wohnt aktuell in Oschatz und arbeitet als Landwirt.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Nach der Wende habe ich mich hier als Landwirt selbstständig gemacht. Ich stamme aus einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb bei Heidelberg. Nach meinem Studium der Agrarwissenschaften in Hohenheim habe ich zunächst in Frankfurt und in Nürnberg als Angestellter in landwirtschaftsnahen Branchen gearbeitet. Dann kam die Wende und ich bin früh schon, zum ersten Mal auf der Grünen Woche in Berlin 1990, mit den verschiedenen Lebenswirklichkeiten in Deutschland-Ost und -West konfrontiert worden. Mein Wunsch als Unternehmer selbstständig Landwirtschaft zu betreiben, hat dann zu meiner Betriebsgründung 1991 in Oschatz, Sachsen geführt. Hier erlebe ich alle Realitäten!
Wie gestaltest du die Zukunft?
Als Landwirt gestalte ich die Landwirtschaft in Ostdeutschland mit. Ich versuche, die überkommenen Strukturen in zukunftsfähige Modelle zu wandeln – gerne gemeinsam mit anderen. Mein Anliegen ist es, gesellschaftliche Anforderungen an uns Landwirte mit den ökonomischen Erfordernissen unseres Berufes zu vereinen. Dazu engagiere ich mich im berufsständischen Organisationen wie etwa dem sächsischen Landesbauernverband und überregional in der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG).
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Ich möchte keine Einschränkung und Polarisierung in Ost, West, Ja, Nein. Ich fühle mich als Mensch und Europäer!
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Anfangs war in meinem Umfeld eher Unverständnis, in den Osten zu gehen – aus einem sicheren und gut dotierten Job. Bezüglich der Erfahrungen vor Ort habe ich alles erlebt: von größter Ablehnung (immerhin nahm ich ja der LPG Land weg!) bis hin zu vorsichtiger Unterstützung und Neugier! Mitte der 90er-Jahre wurde dann akzeptiert und anerkannt, dass es auch fleißige, anständige und ehrliche Wessis gibt. Zur Sozialisierung trugen auch unsere Kinder bei, die 1991 und 1996 geboren und hier voll integriert sind.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
Uns wurde hier immer mit einem hohen Maß an Skepsis und Misstrauen begegnet. Das hat sich erst mit der Zeit gebessert, als man sich persönlich kennengelernt hat.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Das Positive ist natürlich die Improvisationsfähigkeit. Zunächst war auch noch die Neugier und Bereitschaft zur Veränderung da! Leider ist diese gerade hier auf dem Lande einer eher negativen Grundstimmung gewichen. Die Emotionalisierung ist leider einer gewissen Gelassenheit gewichen. Gerne echauffiert man sich grundlos über alles mögliche und unmögliche!
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Eine deutlich engagiertere Zivilgesellschaft aus der Mitte der Gesellschaft, in der Kritik an bestehenden Zuständen nicht als Nestbeschmutzung, sondern als gemeinsame Chance begriffen wird. Zivilcourage, um Missstände zu thematisieren und zu bekämpfen. Dies ist hier auf dem Lande sehr wenig aus geprägt! Wir sollten hier mehr zu einer Konsens- und nicht zu einer Spaltungsgesellschaft werden. Leider kann ich das momentan nicht erkennen. Hier wirken noch Sozialisierungstendenzen nach: Im Osten hatte immer einer Recht, die Partei! Da wo ich sozialisiert bin, hatte keiner Recht, sondern jeder nur ein bisschen. Das nennt man Kompromiss und ist hier leider nicht oder sehr wenig konsensfähig.