Matti Karstedt

Matti Karstedt ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Brandenburg und 1996 in Groß Kreutz (Havel) geboren.

Geblieben: Matti wohnt aktuell in Potsdam.

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Weshalb bist du geblieben?

Ein großer Teil meiner Pubertät bestand daraus, in grauen Mehrzweckhallen über den demografischen Wandel, bessere Bildungspolitik oder die Probleme im ländlichen Brandenburg zu diskutieren. Ich habe unzählige Wochenenden damit verbracht, Initiativen, Vereine und Projekte im ganzen Land zu besuchen, und dabei erst so richtig angefangen, mich für meine Heimat und die Menschen darin begeistern zu können. Ich wollte mich weiter demokratisch engagieren. Aber nicht einfach irgendwo für irgendwen, sondern für meine Freunde, Eltern und Großeltern, Nachbarn und Bekannte. Daher entschied ich mich dazu, für das Studium und meinen weiteren Werdegang in meiner Heimat zu bleiben: in Brandenburg.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Als Schüler war ich notorisch unzufrieden mit dem brandenburgischen Bildungssystem. Meckern alleine reichte mir jedoch schon damals nicht, ich wollte etwas verändern – und entschied mich dazu, in eine Partei einzutreten. Mit 16 Jahren kein ganz üblicher Schritt, aber dennoch einer, den ich nie bereut habe.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Im Rahmen meines politischen Engagements bemühe ich mich darum, mich den Problemen anzunehmen, die viele junge Menschen zum Weggehen bewegen. Denn egal ob mangelhafte Infrastruktur im ländlichen Raum, Fremdenfeindlichkeit oder fehlende Zukunftsperspektiven: Vieles kann hier vor Ort angegangen und abgemildert werden. Ich bin außerdem überzeugt: Die beste Politik für Rückkehrer ist bessere Politik für diejenigen, die noch hier sind.

  • 1996

    Groß Kreutz (Havel)

  • 2021

    Potsdam

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ich fühle mich ostdeutsch – aber sicherlich nicht nur, weil ich mit Jägerschnitzel und Vita-Cola aufgewachsen bin oder in der Schule noch russisch gelernt habe. Ich fühle mich ostdeutsch, weil ich die massiven biografischen Brüche der Nachwendejahre anhand der eigenen Familiengeschichte nachvollziehen kann. Weil mein Bundesland gerade einmal sechs Jahre älter ist als ich selbst und ich täglich Freiheitsrechte genießen darf, die meinen Eltern und Großeltern an selber Stelle noch vorenthalten waren. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich auch mindestens genau so europäisch wie ostdeutsch fühle.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

So sehr ich mir mehr Begeisterung für politische Prozesse und demokratische Beteiligung wünschen würde, so wenig möchte ich irgendeinem Ostdeutschen einen Vorwurf aus seiner Parteien-Skepsis machen. Ich selbst durfte beispielsweise ein Abitur machen und studieren, ohne, dass meine politischen Äußerungen dabei eine Rolle spielten – in der Generation meiner Eltern war das noch anders. Das prägt. Auch nach der Wende wurden viele ostdeutsche Hoffnungen enttäuscht, viele Parteien (und leider auch Jugendorganisationen) sind bis heute klar westdeutsch dominiert. Es kommt daher umso mehr auf parteien- und verbandsübergreifende Initiativen & Kooperationen für die ostdeutschen Interessen an.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

In Zukunft wird immer unwichtiger, wo wir uns physisch befinden. Wichtiger ist, von wo aus wir uns mit der Welt vernetzen können. Das schafft Chancen auch für jene Gebiete in Ostdeutschland, die bislang wirtschaftlich schwach und damit weniger attraktiv für Zuzug sind. Neben der Begünstigung wirtschaftlicher Ansiedlungen setze ich mich daher vor allem für die Schaffung von Mobilität und digitaler Infrastruktur auch im ländlichen Raum ein. Von einer Sonderbehandlung des Ostens, wie sie immer wieder mit der Ostquote gefordert wird, halte ich jedoch herzlich wenig. Das ist Symbolpolitik ohne reale Auswirkungen auf die 12,5 Millionen Einwohner der ostdeutschen Flächenländer.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Wenn in bundesweiten Medien über meine Heimat gesprochen wird, fällt manchmal der Begriff „Dunkeldeutschland“. Es geht oft um Perspektivlosigkeit, um schlechte Infrastruktur oder um das Gefühl, „abgehängt“ zu sein. Dabei kenne ich hier so viele Menschen, die mit Mut und Optimismus Großartiges leisten. Die sich allen Widrigkeiten und biografischen Brüchen zum Trotz immer wieder aufrappeln, Projekte starten, sich für die Gesellschaft einsetzen. Ich würde mir wünschen, dass diese tollen Menschen und ihre Lebensleistung eine größere Anerkennung erfahren und öfter eine Rolle spielen, wenn Deutschland auf den Osten schaut.