Maximilian Becker
Maximilian Becker ist Mitglied im Parteivorstand (Die Linke) und 1990 in Eisenach geboren, in Eisenach und Creuzburg aufgewachsen.
Geblieben: Maximilian wohnt aktuell in Leipzig.
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Weshalb bist du geblieben?
„Weggehen“ war für mich nie wirklich eine Option. Schon seit meiner Jugend wollte ich nach Leipzig. Diese Stadt hat Anfang der 2000er Jahre eine enorme Anziehungskraft auf mich gehabt. Über die Umwege Glauchau, Erfurt und Halle bin ich dann tatsächlich in Leipzig gelandet und habe eine Stadt kennengelernt, die im Aufbruch steckt(e). Und ich habe gespürt – hier bewegt sich was; hier kommen Menschen zusammen, die etwas reißen wollen.
Aber ganz ehrlich: für mich wäre ein Studium in Hamburg, München oder Köln finanziell auch nie möglich gewesen. Das Geld, was ich in München für die Miete hätte zahlen müssen, reichte mir während des Studiums für einen ganzen Monat zum Leben.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Es gibt nicht das Ereignis, das mich politisiert hat. Aber grundlegend geht mir die Ungleichheit in unserem Land und auf der Welt gehörig auf die Nerven. Und dann ist es natürlich auch die riesige Angst vor den Folgen der Klimakatastrophe sowie die Wut auf den zunehmenden Rassismus in der Gesellschaft. Irgendwann habe ich bemerkt, dass ich als Individuum zwar kritisieren, aber wenig verändern kann. Seither arbeite ich in ganz verschiedenen Kontexten, zu vielen Themen und mit einer Menge toller Leute politisch. Dazu gehört zweifelsohne auch mein Engagement in der LINKEN – aber ganz stark eben auch das Mitwirken in sozialen Bewegungen wie bei Ende Gelände oder #unteilbar.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Der massenhafte Wegzug in den Westen hat im Osten große Lücken gerissen. Ich glaube, es ist die Aufgabe meiner Generation, diese Lücken zu füllen und die entstandenen Risse zu kitten. Dazu gehört, die bestehenden Ungleichheiten zwischen Ost und West endlich zu beseitigen. Aber auch, die vergangenen 30 Jahre aufzuarbeiten. Damit meine ich zum Beispiel die Verbrechen der Treuhand, aber auch die Baseballschlägerjahre in den 90ern. Und nicht zuletzt muss die Generation der Nachwendekinder dafür kämpfen, ein positiveres Bild vom Osten zu zeichnen: als einer Region, die bereit ist zu kämpfen und die 30 Jahre nach der Wende und vielen Enttäuschungen den Aufbruch selbst in die Hand nimmt.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Über viele Jahre habe ich immer wieder gesagt, dass es in meiner Generation keinen Unterschied mehr zwischen Ost und West gibt. Seit einigen Jahren würde ich das so nicht mehr unterschreiben. Mittlerweile spüre ich, dass die Generation unserer Eltern uns einiges an Ideen, Idealen und Prägungen mitgegeben hat, die ich eher mit Menschen aus Ostdeutschland in Verbindung bringe. Ob nun das Zupackende oder die Kreativität, in ausweglosen Situationen immer einen Weg zu finden. Das hat mich definitiv geprägt.
Ob ich mich deshalb als ostdeutsch fühle? Ich weiß es nicht. Zumindest bin ich froh und dankbar, in Ostdeutschland aufgewachsen zu sein und hier zu leben.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Ich denke, die großen gesellschaftlichen Veränderungen und Debatten der letzten Jahrzehnte wurden im Osten meist ohne Parteien organisiert. Und die Enttäuschung gegenüber Parteien spielt natürlich eine große Rolle. Das Schwimmbad schließt, der Bus fährt nicht mehr, für nichts ist mehr öffentliches Geld da. Wenn jedoch die Lufthansa schreit, bekommt sie Milliarden. So eine Politik schafft kein Vertrauen. Bei der LINKEN machen wir es anders: Ob bei der Mieter*inneninitiative oder bei Streiks von Amazon oder Straßenbahnfahrer*innen. Wir zeigen: wir sind da, wir hören Euch, wir kämpfen mit Euch. Und vielleicht wird sogar der eine oder die andere zum Mitmachen in der Partei motiviert.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Zunächst einmal möchte ich, dass alle in dieser Gesellschaft Benachteiligten, Entrechteten und Unterdrückten bessere Chancen haben. Das ist mein politischer Anspruch. Und ja, ich möchte die bestehenden Ungleichheiten zwischen Ost und West abbauen. Im Ostkapitel des LINKEN Wahlprogramms, das unter anderem ich geschrieben habe, haben wir viele Vorschläge für einen „Aufbruch Ost“ gemacht: das Schließen der Rentenrücke, eine Reindustrialisierung des Ostens oder eine Garantie, dass mindestens einmal stündlich ein Bus fährt. Um nur drei Beispiele zu nennen. Ich will Ostdeutschland gestalten. Dazu brauchen wir einen Green-Ost New Deal mit Milliardeninvestitionen in klimagerechte Industriearbeitsplätze.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir, dass die gesellschaftlichen Risse in den nächsten Jahren gekittet werden. Erlebte Enttäuschungen müssen aufgearbeitet werden. Es darf dabei aber nicht zu falschen Schuldzuweisungen kommen. Daran, dass kein Bus mehr fährt und die Schule dicht gemacht hat, ist kein Geflüchteter schuld, sondern die neoliberale Politik der letzten 30 Jahre. Ich wünsche mir einen Osten, in dem kein Platz für Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie ist und in dem gemeinsam für den Abbau sozialer Ungleichheit gekämpft wird. Am 24.08.2019 waren in Dresden 40.000 Menschen auf der Straße, die eine solche Utopie einer unteilbaren Gesellschaft auf die Straße gebracht haben – dieser Tag macht Mut!