Wir sind der

Osten

Michael Nattke

Michael Nattke  ist Fachreferent beim Kulturbüro Sachsen und 1978 in Guben geboren.

Geblieben: Michael lebt heute in Dresden.

Foto: Julian Hoffmann

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Weshalb bist du geblieben?

Ich bin in Guben aufgewachsen, habe kurze Zeit in Frankfurt/Oder und Cottbus gelebt und bin vor 18 Jahren nach Dresden gekommen, um dort zu studieren. Eigentlich war für mich klar, dass ich direkt nach dem Studium nach Hamburg ziehe, weil das meine Lieblingsstadt in Deutschland war. Dresden war eigentlich nur der Ort für das Studium, dass ich dort 2009 abgeschlossen habe. Zwischendurch bin ich jedoch Vater geworden und lebe heute mit zwei Kindern und meiner Partnerin noch immer in Dresden. Die Kinder gehen inzwischen zur Schule, wir fühlen uns gut und so wird mich Dresden so schnell nun doch nicht wieder los.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich arbeite beim Kulturbüro Sachsen e.V., dem Träger der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und für Demokratieentwicklung in Sachsen. Wir arbeiten an einer menschenrechtsorientierten politischen Kultur in diesem Bundesland. Als wir 2001 gestartet sind, gab es ein Dutzend von Vereinen in Sachsen, die sich aktiv mit Neonazis auseinandergesetzt haben. Heute sind allein im Netzwerk Tolerantes Sachsen weit über 100 Initiativen und Vereine organisiert, die sich intensiv mit Rechtsextremismus, Diskriminierung oder Rassismus auseinandersetzen. Viele dieser Vereine haben wir bei ihrer Gründung und in den ersten Jahren begleitet und unterstützt.

  • 1979

    Guben

  • Frankfurt (Oder)

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  • Cottbus

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  • Heute

    Dresden

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Meine Jugend habe ich in den 1990er Jahren in einer ostdeutschen Kleinstadt erlebt. Diese Zeit und das, was diese Zeit mit den Menschen und der Gesellschaft um mich herum gemacht hat, hat mich sehr stark geprägt. Wir haben alte Garagen im Plattenbaugebiet besetzt, haben in leerstehenden Fabrikgebäuden gehaust, haben eine Menge Dinge getan, die heute in dieser Form nicht mehr möglich sind. Dabei habe ich viele Fehler gemacht, aber auch sehr viel gelernt. Es gab wahnsinnig viele Räume für Grenzerfahrungen, im guten, wie im schlechten Sinne. Diese Jugend in der Transformationsgesellschaft führt aber in jedem Falle dazu, dass ich mich heute durchaus als ostdeutsch fühle.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Im November 1989 bin ich mit meinen Eltern durch das Brandenburger Tor gelaufen. Das war das Ende eines Jahres, dass mich stark politisiert hat. Die Geschehnisse des Jahres habe ich als damals 11jähriger sehr intensiv gemeinsam mit meinen Eltern erlebt. Diese Zeit sorgte dafür, dass ich auch heute daran glaube, dass sich durch politische Arbeit unsere Gesellschaft im positiven Sinne verändern kann. Meine Eltern waren keine Oppositionellen in der DDR und die erste Hälfte der 1990er Jahre waren für sie mit Sicherheit keine einfache Zeit. Die Umbrüche und die Veränderungen der Biographien waren enorm. Ich denke aber, die Summe ist gut und es hat sich gelohnt ,was zu riskieren.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Das Zusammenleben ist gestaltbar und veränderbar. Im positiven, wie auch im negativen Sinne. Diejenigen, die Pegida, der AfD oder anderen Faschist*innen hinterherrennen, sind eine Minderheit. Der Rest ist jedoch viel zu passiv und viel zu leise. Ich wünsche mir, dass wir den Rechten die Diskurse streitig machen, uns den öffentlichen Raum und die Setzung gesellschaftlich relevanter Themen zurückholen. Es kann zwar jeder seine Meinung sagen, aber muss eben auch deutlichen Widerspruch ertragen. Ich wünsche mir für Ostdeutschland, dass endlich verstanden wird, dass es kein „da oben“ gibt. Die demokratische Gesellschaft, in der wir leben, ist genau das, was wir alle selbst daraus machen.