Nancy Böhning

Nancy Böhning ist Ressortleiterin Politik und Verbände IG Metall sowie Mitglied der SPD und 1979 in Plessa geboren.

Gegangen: Nancy wohnt aktuell in Berlin.

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Weshalb bist du gegangen?

Als ich 1998 Abi gemacht habe, stand für die meisten aus meinem Jahrgang fest, zu gehen. Allerdings nicht nur aus Mangel an Perspektiven vor Ort, sondern auch aus Neugier auf die große Welt! Ich hatte sehr großes Glück: Meine Eltern haben die Wende als vorrangig positiv erlebt und versucht, so meiner Schwester und mir immer die Chancen und Möglichkeiten dieser „neuen Welt“ aufzuzeigen.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Mein politisches Engagement startete Mitte der 90er. Eine schon viel beschriebene Zeit. Als junger Mensch warst du entweder Zecke oder Nazi – es trennte beste Kindergartenfreundschaften. Der Kampf gegen Rechts hat mich über Umwege zur SPD geführt. Allerdings empfand ich vieles zu verkopft, so dass ich mich nie wirklich in die Strukturen begeben habe. Mein eigentliches politisches Engagement galt später vor allem der Gleichberechtigung. Ich war überrascht, wie sehr sich Lebensentwürfe einiger westdeutschen Freundinnen mit der Geburt eines Kindes von denen ostdeutscher auf einmal unterschieden – obwohl Ost-West vorher nie eine Rolle gespielt hatte.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Das ist eine schwierige Frage, da ich selbst nicht zurückgezogen bin – obwohl ich mir das durchaus vorstellen könnte. An vielen Stellen, insbesondere den ländlichen Gegenden, fehlen oftmals berufliche Perspektiven. Das ist aber kein ausschließlich ostdeutsches Phänomen.

  • 1979

    Plessa

  • Berkeley Hights (USA)

  • Dresden

  • Prag

  • Leipzig

  • Oxford

  • 2021

    Berlin

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Ostdeutsch sein ist für mich ambivalent. Als „Ossi“, der weniger kann oder weniger weiß, fühle ich mich meist nur in Gegenwart von älteren Westdeutschen. Vermeintliche Scherze über Ostdeutsche katapultieren mich 30 Jahre nach Mauerfall wieder zurück in mein kleines Braunkohledorf. Mein Vorname wirkt hier wie ein Brandmal.
Sehr wohl fühle ich mich in der Rolle als ostdeutsche, selbstbestimmte und unabhängige Frau. Die Selbstverständlichkeit, Karriere zu machen, Kinder zu haben und eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen, ist für mich überlebenswichtig und prägt meine Entscheidungen.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Darauf gibt es leider keine einfache Antwort. Als ich in die SPD eingetreten bin, waren meine Eltern ganz entsetzt, wie man freiwillig in eine Partei gehen kann. Ich glaube, das sagt viel über institutionalisierte Politik aus. Je weniger Kinder diese Art Engagement auf kommunaler oder parteipolitischer Ebene vorgelebt bekommen, desto schwieriger sind die Zugänge. Hinzu kommt, dass wir mehr ostdeutsche Rolemodels in der Politik brauchen – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Menschen, die begeistern und mitziehen!

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ich glaube nicht, dass ostdeutsche Menschen schlechtere Chancen haben! Es ist eher die „Region“ die entwickelt werden muss. Strukturell hinkt der Osten dem Westen hinterher – das sieht man an geringeren Löhnen, an der höheren Arbeitszeit, am viel größeren Niedriglohnsektor, an den wenigen Konzernzentralen im Osten. Aber es gibt auch Städte wie Leipzig, Dresden, Potsdam, die wachsen und immer attraktiver werden.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Eigentlich wünsche ich mir, dass wir sehr bald nicht mehr diese Art von Initiativen brauchen! :-)