Nina Kolarzik
Nina Kolarzik ist Mitarbeiterin im Programm Integration durch Sport und 1997 in Erfurt geboren und aufgewachsen.
Status: Nina wohnt Halle.
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Nach der Schule bin ich ins Ausland gegangen— aus Neugier und später auch für das Studium. In Nordeuropa hat es mir gut gefallen, deshalb ich größtenteils dort geblieben, auch wenn ich zwischendurch je für einige Monate in Brighton, Sarajevo und Leipzig gewohnt habe. Gegen Ende des Studiums hatte ich mich an vielen Orten neu einleben müssen und es hat sich in mir der Wunsch herausgebildet, zu Vertrautem zurückzukehren. Zugleich habe ich politische Entwicklungen zu Hause verfolgt und gesehen, wie viele Menschen sich dort für gute Dinge engagieren. Und der Drang ist immer stärker geworden dabei zu sein, mithelfen, nicht aus der Ferne zuschauen. Das ich trotzdem nicht sofort zurückgekehrt bin war dem Leben geschuldet: ein Partner im Ausland, die Suche nach einem passenden Job, vieles. Letzteres hat mich auch das erste Mal in meinem Leben für ein paar Monate nach “Westdeutschland” geführt. Jetzt habe ich eine passende Stelle in Halle bekommen und konnte damit endlich in eine Gegend zurückkehren, wo mein soziales Netz in der Nähe ist, ich mich meiner Heimat nahe fühle, und was bewegen kann.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich habe lange versucht meinen Weg zu finden, und so ganz hört das wohl nie auf. Ich habe mich immer viel ehrenamtlich engagiert, im Sport, im Klimaschutz, in Friedensprojekten. Bin auf Demos gegangen, habe mich journalistisch engagiert, wichtige Dinge immer wieder angesprochen. Generell nach Wegen gesucht, um die Orte, an denen ich mich wohl fühle und an denen ich gerne lebe, lebenswert und offen für alle zu erhalten. Aktuell arbeite ich einer Position, in der ich das auch beruflich machen darf, und das freut mich sehr.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Bis zum Ende meiner Schulzeit hat der Osten nur in Erzählungen meiner Mutter oder Großeltern eine Rolle gespielt. Dann war ich in anderen Teilen Deutschlands, habe gemerkt wie wenige den Traumzauberbaum oder das Mosaik kennen, habe gehört wie über den Osten gesprochen wird. Im Laufe der Jahre ist der Osten ein Teil meiner Identität, eine Zugehörigkeitsebene geworden. Das merke ich am stärksten, wenn ich anderswo andere junge Leute aus dem Osten treffe und wir darüber bonden. Inzwischen habe ich mich mit Freunden (aus ganz Deutschland) und in meiner Masterarbeit sehr viel mit dem Thema beschäftigt, und sehe, dass es viele junge Leute gibt, für die Ost und West nicht nur Vergangenheit sind.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Durch meine teils ostdeutsche Familie habe ich viel ihrer Geschichte und Perspektive mit aufgeschnappt und achte auf sie, ohne das extra beigebracht bekommen zu haben. Ich weiß aber auch, dass die Ostdeutsche Perspektive sehr vielfältig ist— ich weiß von keinen Biografiebrüchen in meiner Familie, und kann von Ausweglosigkeit, Frustration und Verlustängsten nach die Wende nur von anderen lernen. Es hat mich gelehrt, öfter danach zu fragen welche Perspektiven dominant vertreten sind und welche weniger sichtbar sind— was jeder lernen kann. Meine Herkunft bringt mich dazu, zu widersprechen und Einwürfe zu bringen, und meine Perspektive und Erfahrungen des Ostens sichtbar zu machen.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir eine stärkere Sichtbarkeit von Ostdeutschen Perspektiven. Aber auch einen Dialog und Austausch der verschiedenen Realitäten und Perspektiven untereinander, innerhalb des Ostens. Und ich wünsche mir weniger Untätigkeit, sondern aktiv sein, ein Auseinandersetzen mit der Gesellschaft deren Teil wir sind. Viele machen das schon, viele aber auch nicht. Und dass diejenigen, die sich im Osten für die Demokratie und für Menschen einsetzen, nicht im Stich gelassen werden sondern ganz viel Unterstützung erfahren.