Paula Piechotta

Paula Piechotta ist Ärztin, Spitzenkandidatin (B’90/Die Grünen) in Sachsen sowie Direktkandidatin für die Bundestagswahl  und 1986 in Gera geboren.

Zurückgekehrt: Paula wohnt aktuell in Leipzig.

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Weshalb bist du zurückgekehrt?

Als Ärztin wollte ich an einer guten Uniklinik arbeiten und bin deswegen erst an die Charité und dann an die Uniklinik Heidelberg gegangen. Aber allein die Tatsache, dass es dort kaum Frauen als Oberärztinnen gab und man sich mehr oder weniger oft anhören musste, dass man sich „für eine Ostdeutsche ja erstaunlich gut anziehe“ und „ostdeutsche Frauen ja besonders gut im Bett seien“ waren unter anderem Gründe, warum ich danach nach Leipzig gewechselt bin. Und seitdem fühle ich mich deutlich wohler, auch wenn es hier nicht ansatzweise so gute Forschungsstrukturen gibt wie beispielsweise in Heidelberg.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Ich habe relativ früh Menschen aus meiner eigenen Familie kurzzeitig pflegen müssen und dabei noch zu Schulzeiten die vielen Unzulänglichkeiten im Gesundheitswesen erlebt. Das war für mich der Grund, Medizin und Molekularmedizin zu studieren und andererseits mich politisch für ein besseres Gesundheitswesen einzusetzen.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Es gibt viele Gründe im Osten zu leben: Man kann hier als Frau sehr viel selbstverständlicher Karriere machen, auch wenn es immer noch schwer genug ist. Die Städte sind in einigen Punkten lebenswerter, weil die Mieten oft noch viel bezahlbarer sind und das Stadtbild von vielen Sünden der 60er und 70er, wie Stadtautobahnen, verschont blieb. Und, aus einer politischen Perspektive: Die hiesigen Zustände schärfen den Blick für das, was wirklich wichtig ist.

  • 1986

    Gera

  • Gera

  • Berlin

  • Heidelberg

  • 2021

    Leipzig

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Mich hat vor allem meine Zeit in Heidelberg darin geprägt, die Interessen der Ost-Bundesländer, auch in meiner Partei, lauter zu vertreten: Ein Schlüsselmoment war ein 3. Oktober, also der sogenannte Einheitsfeiertag, an dem ich gemeinsam mit westdeutschen Kolleg*innen Dienst in der Klinik hatte. Da fiel der Satz einer Kollegin „Was hat uns die Einheit eigentlich gebracht? Nichts als Schulden.“ Und ich wurde angesichts dieser Ignoranz ziemlich wütend. Ich habe viele Freund*innen, die sich nicht ostdeutsch fühlen. Das sind oft die, die nicht zwischendurch woanders gelebt haben.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Natürlich ist das Wort „Partei“ nach 40 Jahren „die Partei“ extrem verbrannt. Auch die Blockparteien in der DDR haben wahrscheinlich einen großen Anteil daran, dass die Institution der Partei immer noch mit enormen Glaubwürdigkeitsproblemen verbunden wird. Da ist in den 90er Jahren extrem viel versäumt worden. Das ist auch deswegen ein Problem, weil Parteien dann wenig anziehend für wirklich gute Leute sind – und damit auch weniger Menschen da sind, die die Interessen des Ostens durchsetzungsstark in den Parlamenten und im Gespräch auf der Straße durchkämpfen können. Wir sehen momentan als Grüne enorme Mitgliederzuwächse, im Osten sogar überproportional viele. Für viele von ihnen war neben Klimaschutz die Stärke von Nazis bei den letzten Wahlen eine zentrale Motivation, um Mitglied zu werden. Sie bleiben Mitglied, weil sie wirklich was beitragen können bei uns. Darin sehe ich die Hauptaufgabe von Parteien im Osten: Attraktiv sein für Menschen, die in einer Partei die Chance auf echte Beteiligung und Gehörtwerden haben müssen.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ich weise immer wieder darauf hin, dass es eine Frage der Gerechtigkeit ist, dass Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen proportional zum Bevölkerungsanteil auch im Osten sind. Ich habe in meiner Partei dafür gestritten, dass die ostdeutschen Landtagswahlen sehr ernst genommen werden und mehr Ressourcen in diese Wahlkämpfe investiert werden müssen. Ich wehre mich dagegen, dass Themen wie die Ost-Renten für z.B. in der DDR geschiedene Frauen immer wieder unter den Tisch fallen und nicht gelöst werden, obwohl dafür 30 Jahre Zeit war. Ich kämpfe dafür, dass in Sachsen auf Landesebene demokratische Mehrheiten garantieren können, dass Nazis nicht mitregieren – das ist die Voraussetzung dafür, dass wir hier weiterleben können.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Selbstbewusstsein. Gerechtigkeit. Eine zum Bevölkerungsanteil proportionale Repräsentation in den Eliten dieses Landes.