Philipp P. Thapa
Philipp P. Thapa ist 1979 in Bamberg geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.
Rübergemacht: Philipp wohnt aktuell in Greifswald, wo er als Sozialökologe arbeitet.
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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?
Nach meinem Zivildienst bei einer Naturschutzstiftung in Nepal wollte ich eigentlich in Kanada oder den USA so etwas wie Conservation Biology studieren, um anschließend nach Nepal zurückzukehren. Dann empfahlen mir einer meiner früheren Lehrer und seine Frau, die gerade habilitierte, in Deutschland anzufangen und nach der Zwischenprüfung gleich ins Master-Studium an einer ausländischen Uni einzusteigen. Ich ließ mir Studienordnungen kommen und machte eine Rundreise nach Oldenburg, Vechta, Lüneburg, Rostock, Greifswald, Potsdam und Braunschweig, besuchte Lehrveranstaltungen, sprach mit Leuten. Für Greifswald entschied ich mich wegen der Studieninhalte und des anheimelnden Dritte-Welt-Flairs.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Ich forsche, schreibe, unterrichte zum Themenkreis Umweltphilosophie, nachhaltige Entwicklung und utopisches Denken. Mir geht es dabei vor allem um die Denk- und Lernwerkzeuge, die wir brauchen, um alternative Zukünfte phantasievoll zu entwerfen, kritisch zu bewerten und pragmatisch zu verwirklichen. Neben den wissenschaftlichen Foren bin ich damit auch in Workshops für Praktiker:innen und Kreative unterwegs und versuche mich in politische und zivilgesellschaftliche Arbeitskreise einzubringen. Vor Ort in Greifswald engagiere ich mich mit der BUND-Gruppe für die urbane Landwirtschaft: Das bringt kurzfristig sichtbare Veränderungen und weitet doch den Blick für grundsätzliche Alternativen.
Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?
Fühlst du dich ostdeutsch?
Nein. Vermutlich gibt es zwei Hauptwege, sich ostdeutsch zu fühlen: Entweder habe ich eine Lebens- oder Familiengeschichte, die in die DDR zurückreicht. Oder ich identifiziere mich mit der ostdeutschen Region, in der ich lebe, und ordne mein Heimatgefühl für Vorpommern oder die Lausitz als Variante einer größeren ostdeutschen Identität ein. Mir bliebe nur der zweite Weg. Doch auch er ist versperrt, denn in Greifswald fühle ich mich nicht zu Hause. Andererseits fühle ich mich als Teil der nepalischen Diaspora und warte darauf, endlich einmal länger als anderthalb Jahre am Stück zu Hause in Nepal leben zu können. Euer amüsiertes Grinsen bin ich gewöhnt.
Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?
Die persönliche Lebenssituation macht den großen Unterschied. Verwandte, Freund:innen, Kolleg:innen, die Greifswald nur kurz besuchen, schwärmen von der putzigen Stadt, der weiten Landschaft, dem Meer. Wer als Zugezogener finanziell abgesichert oder nur vorübergehend zum Studium hier ist (so wie ich ursprünglich), kann sich den Touristenblick erhalten. Ohne beruflichen und sozialen Halt kippt die Wahrnehmung. Vorpommern erscheint dann als flächenöde Vorhölle, und die Entscheidung herzukommen als der größte Fehler im ganzen Leben. Ich kenne beides, bis hin zu langen depressiven Phasen. Irgendwelche Ost-West-Vorurteile sind nichts dagegen: Weniger Identitäts-, mehr Struktur- und Sozialpolitik.
Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?
In meinem Geschichtsbild hat die Vereinigung manchen in West wie Ost Vorteile gebracht, anderen nicht. Aus der Uni-Erfahrung heraus denke ich etwa an die vielen westdeutschen Professor:innen, die in den 1990ern auf vakante Stellen im Osten kamen. Ich kenne aber auch Geschichten von DDR-Funktionär:innen, groß und klein, die aus der Wende privates Kapital schlugen und bis heute von ihren alten Netzwerken profitieren. Deshalb möchte ich gerade den ehemaligen DDR-Bürger:innen eine, mit Verlaub, Klassenperspektive nahelegen – jedenfalls eine differenzierende Analyse, die auch mal quer zum West-gegen-Ost-Schema verläuft. Heute erst recht.
Was hast du in Ostdeutschland gelernt?
Je länger ich mich mit Utopien und utopischem Denken beschäftige, desto mehr interessiere ich mich für die DDR und für die Lebenserfahrungen und Erkenntnisse, die ihre ehemaligen Bewohner:innen in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen gesammelt haben. Sollten wir die nicht viel offener und breiter diskutieren – und zwar zukunftsgerichtet, zum Beispiel wenn es um den sozial-ökologischen Wandel geht?
Was wünschst du dir für Ostdeutschland?
Dass dieser Bezugsrahmen möglichst bald nur noch historische Bedeutung hat, weil die verschiedenen ostdeutschen Regionen in ihrer jeweiligen Nachbarschaft auf je eigene Weise aufgeblüht sind. Ein Europa der Regionen statt der Nationalstaaten könnte dabei helfen. Vielleicht geraten dann auch die ländlichen Räume wieder mehr als Lebensmittelpunkte in den Blick denn als Produktions- und Problemzonen.