Reiner Haseloff

Reiner Haseloff ist Ministerpräsident (CDU) von Sachsen-Anhalt und 1954 in Bülzig geboren und aufgewachsen.

Geblieben: Reiner wohnt aktuell in Lutherstadt Wittenberg.

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Weshalb bist du geblieben?

Meine Familie ist väterlicherseits seit Jahrhunderten fest im Wittenberger Raum verwurzelt. Hier ist meine Familie zu Hause, hier haben Generationen für ihre Region gewirkt und sich engagiert. Das gibt man nicht einfach auf, das ist ein Stück Heimat, das man nicht missen will. Das gilt auch für das Leben in unserer Kirchengemeinde. Nach der Wende des Jahres 1989 hat sich zudem die einmalige Chance ergeben, auch vor Ort das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Warum hätte ich da gehen sollen? Ich habe mich dafür entschieden, dort zu sein, wo es am Spannendsten war und Neues gewagt werden konnte – im Osten.

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Die friedliche Revolution im Jahre 1989 war für mich Anlass, politisch aktiv zu werden. Das war damals ein Engagement mit ungewissem Ausgang, denn wer wusste schon, wer letztlich als Sieger dastehen würde? Dennoch war es für mich keine Frage, mich gegen das noch an der Macht befindliche DDR-Führung zu engagieren. Wann, wenn nicht damals, bestand die Chance, Freiheit und Demokratie zu verwirklichen? Letztendlich hat mich mein Pfarrer motiviert, mich in der Kommunalpolitik zu engagieren.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Es gibt heute viele gute Gründe, seine Zukunft im Osten zu sehen. Gravierende Nachteile, die in den ersten Jahren nach der deutschen Einheit noch bestanden, wie eine hohe Arbeitslosigkeit oder eine unzureichende Infrastruktur, gibt es nicht mehr. Im Gegenteil, der Osten ist reich an interessanten Kulturlandschaften, wir haben eine hervorragende Kinderbetreuung und es wurde kräftig investiert. Innovative Unternehmen mit lukrativen Jobs haben sich angesiedelt. Wir haben eine leistungsfähige Forschungs- und Hochschullandschaft. Im Osten zu leben ist kein Abenteuer, aber man kann viel Neues entdecken und sich selbst verwirklichen. Vielleicht mehr als in anderen Regionen Deutschlands.

  • 1954

    Bülzig

  • 2021

    Lutherstadt Wittenberg

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Wenn man über 35 Jahre seines Lebens in der DDR verbracht hat, dann prägt einen dies. Bis 1989 war aber das Gefühl Deutscher zu sein, dominierend. Erst später kam das Gefühl auf, auch Ostdeutscher zu sein. Dies gilt umso mehr, als es natürlich weiter Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Genau wie zwischen Nord und Süd. Und das ist auch gut so, denn von dieser Vielfalt leben wir. Ganz wichtig ist, dass die gravierenden Unterschiede, z. B. beim Lohnniveau, die es noch vor 30 Jahren zwischen Ost und West gegeben hat, fast verschwunden sind. Ich bin daher überzeugt davon, dass die Herkunft künftig bei nachfolgenden Generationen eine viel geringere Rolle spielen wird.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Ich glaube nicht, dass das Interesse an Politik im Osten geringer ist, aber sicher ist die Bindung zu einer bestimmten Partei, geprägt durch die Erfahrungen der Vergangenheit, geringer ausgeprägt. Wir müssen zudem feststellen, dass das parteipolitische Engagement in Deutschland insgesamt rückläufig ist. So hat sich die Zahl der Mitglieder in den Parteien in Deutschland in den letzten 30 Jahren halbiert. Da es wichtig ist, dass sich Menschen auch parteipolitisch engagieren, müssen die Parteien verstärkt um Mitglieder werben. Das wichtigste dabei: Gute Politik machen und so ein Beispiel setzen.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Ob gegenüber dem Bund, meinen Länderkollegen oder bei Unternehmen, ich mache mich immer wieder dafür stark, dass Ostdeutsche die Chance bekommen, sich in Führungspositionen zu beweisen. Denn wir im Osten müssen uns mit unseren Leistungen nicht verstecken. Gerade deshalb setze ich mich auch dafür ein, dass der Osten als Sitz von Bundesbehörden bedacht wird. Mit Erfolg, wie die Ansiedlung der Cyberagentur im Raum Halle und einer Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes in Magdeburg zeigen.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Dass wir mit der Angleichung an den Westen Deutschlands weiter gut vorankommen, dass die Menschen gern hier leben und eine Zukunft für sich im Osten sehen und dass wir bald nicht mehr so häufig über Unterschiede von Ost und West reden müssen. Was nicht heißt, dass man sich nicht Besonderheiten und unterschiedliche Mentalitäten bewahren kann. Denn das macht schließlich die Vielfalt unseres Landes aus.