Ricarda Budke
Ricarda Budke ist Mitglied des Landtages (Bündnis 90/Die Grünen) in Brandenburg und 1999 in Berlin geboren. Aufgewachsen ist sie in Dallgow-Döberitz (Havelland).
Geblieben: Ricarda wohnt aktuell in Cottbus.
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Weshalb bist du geblieben?
Ich kenne die Ecken und Kanten Brandenburgs gut und weiß, wie wichtig es ist, die Region, in der man wohnt, mitzugestalten. Gleichzeitig merke ich aber auch an meiner eigenen Biografie, wie unterschiedlich die Lebensrealitäten auch innerhalb des Osten sind. Im berlinnahen Raum, in dem ich aufgewachsen bin, habe ich niedrige Lohnniveaus und Wegzug nie als Problem erlebt. In der Lausitz, wo ich heute wohne, sieht das ganz anders aus. In Leipzig wohnen viele Freund*innen von mir – aus Cottbuser Sicht eine ganz andere Welt. In Cottbus halten mich die fantastischen Menschen, die in der Stadt alternatives und kulturelles Leben gestalten.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Vieles! Eigentlich war ich nie unpolitisch, ich komme aus einem politischen Elternhaus. Für viele in meiner Generation ist die Klimakrise das politisierende Thema schlechthin, wir können es uns nicht leisten unpolitisch zu sein! Ich träume von einer klimaneutralen, sozialen und diversen Welt. In der Partei habe ich den Raum gefunden, meine Visionen in konkrete politische Forderungen umzusetzen. Gleichzeitig habe ich erlebt, dass Politik die Lebensrealität der Menschen konkret verändern kann. Das motiviert! Der Beginn meines Engagements hing auch mit dem Erstarken der Rechten zusammen. Dem müssen wir etwas entgegensetzen, sonst wird unsere Zukunft von rechts gestaltet.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Junge Menschen gestalten ihre Zukunft, wenn sie die Möglichkeit dazu haben! Dann bleiben wir auch, denn das schafft Verbindung und Identität. Ich erlebe bei mir und anderen, dass das Engagement in kulturellen Freiräumen dazu geführt hat, dass ich mich wohl fühle und bleiben will. Bei anderen jungen Leuten ist das vielleicht der Sportverein oder die Dorfgemeinschaft. Entscheidend ist, dass wir solche Begegnungsorte erhalten und neu schaffen. Gentrifizierung ist schon lange kein westdeutsches Problem mehr und die aktive Zivilgesellschaft in Ostdeutschland ist schwächer als in Westdeutschland. Das ist für mich ein zentraler Handlungsansatz – aus eigener Erfahrung!
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich bin in Ostdeutschland mit westdeutschen Eltern aufgewachsen, 1999 geboren, aber die DDR ist präsent. Ich bin immer wieder überrascht, wie fern vielen Westdeutschen die Herausforderungen und Selbstverständlichkeiten hier sind: Sei es das flächendeckende Kitaplatzangebot im Osten als Selbstverständlichkeit, der niedrige Lohn- und Rentenstandard andererseits. Wir blicken anders auf Demokratie, Gesellschaft und Geschichte. Niemand in meiner Generation hat die DDR real miterlebt. Wir erleben sie im Stadtbild, in der Schule, in der Uni oder im Betrieb und viele in ihren Familien. Das prägt unser Leben und wird das unserer Kinder prägen. Ich erlebe, wie wenig Westdeutschen das bewusst ist.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
In Ostdeutschland sind die Berührungsängste zu Parteien immer noch größer. Ich erlebe im parteinahen Umfeld Menschen, die in der DDR politisiert wurden. Einige engagieren sich für unsere Partei, haben teils sogar Mandate, aber wollen grundsätzlich nicht in Parteien eintreten. Die Strukturen hier sind schwächer und jünger. Viele Ostdeutsche fühlen sich nicht repräsentiert von überwiegend westdeutschem Spitzenpersonal und auch in Parteien merken wir, dass die Zivilgesellschaft hier grundsätzlich schwächer ist. Wir brauchen gezielte Förderung ostdeutscher Strukturen und Vernetzung innerhalb der Parteien, Demokratiebildung gerade bei jungen Menschen und mehr Politiker*innen aus Ostdeutschland.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Ich erlebe in meinem Umfeld viele junge Menschen, die wegen des höheren Lohnniveaus nach Westdeutschland gehen. Da müssen wir ran. Krass ist aber auch die infrastrukturelle Anbindung in Ostdeutschland. Gerade in der Lausitz versuchen wir jetzt mit den Strukturwandelgeldern das aufzuholen, was eigentlich 30 Jahre zu spät kommt. Ich will, dass junge Menschen und Unternehmen bewusst sagen: Da gehe ich hin, weil die Region lebenswert ist! Der Schlüssel dafür ist eine gute Anbindung mit der Bahn, kulturelle Angebote und eine aktive Zivilgesellschaft.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Die Perspektive Ostdeutscher nimmt einen gleichberechtigten Raum in unserer Gesellschaft ein und wir schaffen es, die strukturellen Ungerechtigkeiten Geschichte werden zu lassen und trotzdem Freiräume und Besonderheiten des Ostens zu erhalten.