Robert Fietzke

Robert Fietzke ist Sozialarbeiter, Jugendbildungsreferent und Hochschuldozent sowie Jugendkoordinator (Die Linke) in Sachsen-Anhalt. Er ist 1986 in Magdeburg geboren und aufgewachsen in Halberstadt.

Geblieben: Robert wohnt aktuell in Magdeburg.

Das Profil teilen:

Weshalb bist du geblieben?

Ich habe noch nie woanders gelebt als im Osten, obwohl der Gedanke, wegzugehen, immer mal wieder Thema war, vor allem aufgrund der politischen Lage. Nach dem Abitur war die Wahl des Studienortes ausschlaggebend, um hierzubleiben. Mit dem Einstieg in die politische Arbeit kam als entscheidender Faktor das politische Verantwortungsgefühl hinzu. Sachsen-Anhalt braucht mehr und nicht weniger antifaschistische Menschen, die sich engagieren und einbringen. Nicht minder wichtige Gründe sind aber auch die Nähe zur Familie und zu Freund*innen. Ohne diese Menschen wäre es auch an formal schöneren Orten weniger schön. Aber Magdeburg hat sich in den letzten Jahren auch wirklich toll entwickelt!

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Aufwachsen im Osten, in meinem Fall in Halberstadt Ende der 1990er, Anfang der 2000er bedeutete, sich zwangsläufig mit Politik auseinandersetzen zu müssen. Es gehörte zum Alltag, von Neonazis angegriffen und durch die Straßen gejagt zu werden. Da musste man sich als linker Jugendlicher positionieren und sich mit den wenigen anderen verbünden gegen die rechte Hegemonie und die schweigende Mehrheit. Entscheidend für meine politische Sozialisation waren durchaus auch weltpolitische Ereignisse wie der Afghanistan-Krieg (2001) oder der Irak-Krieg (2003), aber zweifelsohne auch mein Opa, der bis 2011 Landtagsabgeordneter war. In den linken Jugendverband [’solid] bin ich dann mit 19 eingetreten.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Ich finde, der Osten hat unheimlich viel Potenzial, insbesondere auch durch die große, immer wieder neu entstehende Leere. Diese Leere ist vor allem eine räumliche, physische Leere, die entsteht durch permanenten Wegzug von Menschen und die Abwicklung von Infrastruktur. In vielen Metropolregionen gibt es schon „alles“, im Osten lässt sich hingegen Neues auf Altem, Kaputtgegangenem aufbauen. Menschen aus dem Westen, denen ich Magdeburg zum ersten Mal zeige, sind immer wieder erstaunt, was hier alles geht. Kultur, Clubs, kostenlose Open-Air-Raves, um nur einiges zu nennen. Günstige Mieten, gute Hochschulen und viel Natur sind weitere Argumente für ein Leben und Bleiben im Osten.

  • 1986

    Magdeburg

  • Chemnitz

  • 2021

    Magdeburg

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Nein, ich fühle mich weder „ostdeutsch“ noch „deutsch“. Ich bin mir zwar meiner Sozialisation in der ostdeutschen Gesellschaft bewusst und verstehe auch, dass sie sich vom Aufwachsen in Westdeutschland unterscheiden mag, aber für mich sind sämtliche Kategorien von Volk und Nation keine, auf die ich mich positiv beziehen möchte, weil ich sie für zentrale Ursachen für viele Probleme in der Welt halte. Diese Erkenntnis wiederum hat aber durchaus mit dem spezifischen Aufwachsen im Osten der 1990er und 2000er Jahre zu tun. Ich fühle mich als Mensch in einer gemeinsamen Welt, für die es gemeinsam Verantwortung zu übernehmen gilt.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Die Parteien-Bindung lässt generell nach, ist in Ostdeutschland aus historischen Gründen aber noch geringer ausgeprägt. Die Skepsis gegenüber dem Parteien-Parlamentarismus an sich ist größer als in anderen Landesteilen. Sicherlich sind die Ursachen dafür komplexer Natur, aber die historische Tatsächlichkeit der Nachwendezeit, die Verlusterfahrungen vieler Menschen und biografischen Brüche haben nachweislich zu einer schweren Vertrauenskrise in das neu gewonnene (oder bekommene) politische System beigetragen, die bis heute anhält. Ich werbe immer dafür, meine Partei als Mitmach-Möglichkeit zu sehen, als Organisation, mit der man durch kluge Ideen die Gesellschaft verbessern kann.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Als Linker habe ich mir ganz bewusst DIE LINKE ausgesucht, weil sie die einzige Partei ist, die sich schon immer und vor allem auch ernsthaft um die spezifischen Belange der Ostdeutschen kümmert. Der „Chancen“-Begriff ist zwar nicht meiner, weil er Produkt der neoliberalen Diskursverschiebung ist, aber ich kämpfe jeden Tag dafür, dass jeder Mensch, der hier lebt, ein Leben in Würde, Freiheit und Gerechtigkeit, frei von Armut und Diskriminierung führen kann. Es braucht endlich eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West. Das Lohngefälle ist nach wie vor riesig und ein Grund, warum Menschen den Osten verlassen (müssen).

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Am meisten wünsche ich mir für den Osten, dass wir es gemeinsam schaffen, die fortschreitende Faschisierung und die Raumnahme durch die extreme Rechte zurückzudrängen, denn diese Entwicklung bedroht nicht nur konkret die Existenz bestimmter Menschengruppen, sondern die der Demokratie insgesamt. Ich bin mir aber sicher, dass wir das schaffen, Stück für Stück und mit einem langen Atem. Die Bedingung dafür ist, dass viele von denen, die hier mit ganz viel Schaffenskraft und dem Herzen am richtigen Fleck aktiv sind, auch bleiben. Bitte bleibt und lasst uns den neuen Osten aufbauen.