Sabine Zimmermann
Sabine Zimmermann ist Baustofftechnologin sowie Mitglied des Bundestages (Die Linke) und 1960 in Pasewalk geboren und aufgewachsen.
Zurückgekehrt: Sabine wohnt aktuell in Werdau.
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Weshalb bist du zurückgekehrt?
Aus beruflichen und privaten Gründen bin ich 1990 von Zwickau nach Mantel (in der Nähe von Weiden) in Bayern gezogen. Als Baustofftechnologin war es nach der Wende im Westen schwer möglich, eine Anstellung zu finden, vor allem als Frau in dem Beruf. Ende 1991 bin ich nach Sachsen zurückgekehrt und habe 1992 beim DGB Sachsen meine Berufung gefunden.
Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?
Mein politisches Engagement ist aus dem gewerkschaftlichen entstanden. Ich habe als Gewerkschafterin die sozialen Verwerfungen hautnah mitbekommen, sei es der Arbeitsplatzabbau im Osten, der sich noch lange nach der Wende fortgesetzt hat, sei es die Agenda 2010 mit ihren Sozialkürzungen. Letzteres war für mich im Übrigen auch der Grund, die SPD zu verlassen und mich in der LINKEN zu engagieren. Denn gute Arbeits- und Lebensbedingungen, ein starker Sozialstaat und eine friedliche Außenpolitik, dafür steht seit vielen Jahren nur DIE LINKE. Für mich sind das bis heute die zentralen Themen, für die ich mich einsetze.
Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?
Viele junge Menschen gehen nur deshalb, weil ihnen im Osten die berufliche Perspektive fehlt. Das kann ihnen auch niemand verübeln. Ich glaube, der Schlüssel gegen Wegzug, vor allem aus ländlichen Regionen Ostdeutschlands, liegt in gleichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Wenn es im Osten mehr gut tariflich bezahlte, qualifizierte Arbeitsplätze gibt, dann bleiben die jungen Menschen ganz von allein, auch ohne besondere Überzeugungsarbeit. Der Osten ist lebenswert, aber man muss dort eben auch von etwas leben können.
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich bin im Osten geboren und aufgewachsen und habe fast mein ganzes Leben in Ostdeutschland verbracht. In der Region Zwickau bin ich seit Jahrzehnten verwurzelt. Als Gewerkschafterin habe ich seit der Wende die Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt und die vielen Arbeitskämpfe in der Region begleitet; als Abgeordnete vertrete ich sie seit 2005 im Bundestag. Die Anliegen der Menschen bringe ich in meine politische Arbeit ein. Natürlich sind nicht alle dieser Anliegen spezifisch ostdeutsch, aber aufgrund meiner privaten und beruflichen Biografie kenne ich die besonderen Herausforderungen und Ungerechtigkeiten, mit denen Menschen im Osten konfrontiert sind, und kämpfe dafür, dass der Osten 30 Jahre nach der Wende nicht mehr länger abgehängt bleibt.
Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?
Viele Menschen sind von den etablierten Parteien enttäuscht. Ihnen wurde viel versprochen, aber es wurde wenig umgesetzt. Statt „blühender Landschaften“ sind Industriebrachen entstanden. Es gibt heute im Osten 500.000 Arbeitsplätze weniger als 1995. Die Löhne sind immer noch deutlich niedriger als im Westen. Ich bin überzeugt: Wenn es einen politischen Kurswechsel gibt und sich die Lebensbedingungen im Osten spürbar bessern, dann wächst auch das Vertrauen in die Politik und mit ihm das politische Engagement. Besonders die ältere Generation erwartet außerdem, dass Politikerinnen und Politiker sich für ihre Probleme interessieren und Hilfe anbieten. Wenn sie spüren, dass sich etwas bewegen lässt, sind sie auch bereit, sich selbst stärker einzubringen.
Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?
Höhere Löhne, eine stärkere Tarifbindung, bessere Arbeitsbedingungen und ein stärkerer Sozialstaat – das sind meine politischen Kernthemen als arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Mein Bundesland Sachsen zum Beispiel hat die niedrigste Tarifbindung in ganz Deutschland. Wer die Tarifbindung deutschlandweit stärkt, tut damit gleichzeitig besonders etwas für den Osten. Dasselbe gilt für einen höheren Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde. Es müssen aber auch mehr Arbeitsplätze in Ostdeutschland entstehen, und zwar auf eine nachhaltige Weise. Wenn staatliche Fördergelder fließen, dann muss das an die Auflage geknüpft werden, dass Arbeitsplätze langfristig erhalten bleiben. Natürlich ist auch wichtig, dass Ostdeutsche auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden. Selbst bei bester Ausbildung gelangen sie oft nicht in Spitzenpositionen, weil sie zum Beispiel nicht die Netzwerkkontakte westdeutscher Akademikerkinder mitbringen. Auch hier gilt also: Was für mehr Gerechtigkeit und Fairness deutschlandweit sorgt, nützt besonders dem Osten.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir einen politischen Kurswechsel für ganz Deutschland, hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Das schließt die Angleichung der Lebensbedingungen in Ost und West ein. Jeder Schritt hin zu gleichwertigeren Lebensbedingungen, jeder Schritt hin zu guter Arbeit und stärkeren Sozialleistungen in Deutschland verkleinert die Benachteiligung Ostdeutschlands. Zudem müssen natürlich spezifische Benachteiligungen wie etwa bei der Rentenüberleitung oder bei den Löhnen überwunden werden. Wenn all das gelingt, dann werden wir in ganz Deutschland einen riesigen Schritt nach vorne gemacht haben. Ich wünsche mir, dass der Tag kommt, an dem wir nicht mehr über spezifische Probleme des Ostens sprechen müssen, sondern darüber, wie wir unsere Gesellschaft in ganz Deutschland gemeinsam noch solidarischer gestalten können.