Wir sind der

Osten

Sina Fröhndrich

Sina Fröhndrich ist Redakteurin und Moderatorin beim Deutschlandfunk und 1984 in Brandenburg an der Havel aufgewachsen.

Gegangen: Sina lebt heute in Köln.

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Weshalb bist du gegangen?

Große Medienhäuser gibt es vor allem im Norden, Süden, Westen – und in Berlin. Berlin war mir zu groß, der MDR blieb mir irgendwie fremd. Deswegen bin ich in Köln gelandet. Es war keine bewusste Entscheidung – für oder gegen eine Stadt oder ein Bundesland. Es kam einfach so, auch deshalb weil es möglich war – anders als bei meinen Eltern.

Wie gestaltest du die Zukunft?

„Frauen verdienen mehr als Männer – zumindest im Osten“: Wenn die Republik mal wieder den „Gender pay gap“ diskutiert, versuche ich die Ostperspektive in die Redaktion zu bringen. Es gibt einige Unterschiede zwischen Ost und West, die noch viel zu selten in der Berichterstattung auftauchen. Das gilt auch für die Vergangenheit – Medien nehmen in erster Linie einen bundesrepublikanischen Blick ein. Es wird sich gemeinsam erinnert. Aber: Ich erinnere mich nicht – ich habe die Geschichte der Bundesrepublik im Unterricht gelernt, aber nicht verinnerlicht durch ergänzende Familiengeschichten. Ich versuche den Blick zu schärfen für ostdeutsche Belange.

  • 1984

    Brandenburg an der Havel

  • 2019

    Köln

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

2 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

In erster Linie bin ich Mensch. Mit ostdeutschen Wurzeln und westdeutschen Erfahrungen. Ich mag Pitti Platsch genauso wie das Sams. Ostdeutsch bin ich dann, wenn ich mich mit lieben Menschen austausche – über meine Kindheit. Nur dann ist es zweitrangig, weil es für sie egal ist, wo ich herkomme.
Aber ostdeutsch fühle ich mich auch, wenn mich jemand dazu macht – indem ich mir anhören muss, wie oft er oder sie damals Westpakete geschickt hat. Und ostdeutsch fühle ich mich, wenn jemand den Finger Richtung Osten ausstreckt. „Alles Nazis da drüben.“ Dann werde ich Anwältin für den Osten. Dennoch: Ich bin kein Fan davon, das Ostdeutsche in den Vordergrund zu rücken – für mich zieht es eine Grenze.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Ein Leben ist nicht gradlinig. Ein Berufsleben, Einstellungen können sich ändern. Ich habe viele Wendungen gesehen – das stärkt mich auf meinem eigenen Weg. Ich habe gelernt, dass Schwarz-Weiß sehr schlechte Kategorien sind, um Lebenswirklichkeiten zu beschreiben. Einer meiner liebsten Lehrer eröffnete uns kurz vor dem Abitur, dass er gegen Ende der 80er Jahre noch eine SED-Parteikarriere gemacht hat. Weil er dachte, er könne von innen etwas bewegen. Das hat mich überrascht und mir zugleich gezeigt: DDR war nicht schwarz-weiß. Und auch heute ist nichts schwarz-weiß. Auch deswegen mache ich mit einer guten (westdeutschen) Freundin einen Podcast über Filterblasen (Pop the Bubble).

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass der Osten künftig nur noch eine Himmelrichtung ist. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt, denn vielfach lässt sich kaum mehr von Ossi oder Wessi sprechen. Bis dahin wünsche ich mir, dass die Belange der östlichen Bundesländer ernst genommen werden, dass die Menschen einander zuhören – dass wir uns die guten Ansätze der DDR ansehen. (Familien im Westen sollten vermutlich dankbar für die vielen Kitaplätze sein, die auch auf ostdeutsche Frauen zurückgehen). Und gerade weil die östlichen Länder vielfach ländlich geprägt sind, wünsche ich mir eine ehrliche Politik für die Regionen – und das nicht nur vor Wahlen, wenn Abgeordnete mal kurz ihre Großstadtblase verlassen.