Siska Antoni
Siska Antoni ist Studentin und 1999 in Zwönitz geboren.
Gegangen: Siska wohnt aktuell in Freiburg.
Foto: Olivia König
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Weshalb bist du gegangen?
Gegangen bin ich aus Neugierde auf die Welt, um neue Menschen, Eindrücke und Lebensentwürfe kennenzulernen. Das konnte mir meine kleine sächsische Heimatstadt zu diesem Zeitpunkt nicht in dem Umfang bieten, wie ich es mir gewünscht hatte. Auf Reisen hatte ich das Privileg, Menschen aus den verschiedensten Lebensumständen und Kulturen kennenzulernen. Das Leben am anderen Ende der Welt und am anderen Ende Deutschlands hat mich mein Leben in meiner angestammten Heimat und unsere Traditionen besser verstehen und wertschätzen lassen.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Mich hat es nach Freiburg verschlagen, weil die Universität dort einen interdisziplinären Studiengang namens „Liberal Arts and Sciences“ anbietet. Das Programm ermöglicht mir, sehr frei meinen eigenen akademischen Fokus zu entwickeln und die Nische zu finden, in der ich persönlich die Welt mitgestalten kann. Gefunden habe ich diese Nische in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Wie entstehen die Geschichten, die wir über uns selbst, unsere Gruppen und Vergangenheit erzählen? So bin ich dazu gekommen, die gesellschaftlichen und kulturellen Vorgänge erforschen zu wollen, die momentan zwischen dem „Osten“ und „Westen“, auch in meiner Heimatregion Westerzgebirge, ablaufen.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich als Nachwendekind, weil ich spüre, dass meine Herkunft ein Aspekt ist, in dem ich mich von manchen meiner Kommiliton*innen unterscheide. Ich bin in Freiburg oft mit Gleichaltrigen in Kontakt gekommen, für die ihre Westherkunft gar keine Rolle spielt. Viele wissen so gut wie nichts über die Wiedervereinigung und den Osten, stattdessen hört man hier und da noch Klischees und Vorurteile. Ich bin mit Erzählungen von den Wendeerfahrungen meiner Familie und einem Rest DDR-Sozialisation aufgewachsen. Für mich war ein Bewusstsein für die teils schwierige Transformation in der Nachwendezeit selbstverständlich. Dieser Wissens- und Erfahrungsunterschied meiner westdeutschen Kommiliton*innen hat mich stutzig gemacht.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Ich habe das Gefühl, dass mein Ostdeutsch-Sein in einer westnormativen Gesellschaft mir ein Bedürfnis gegeben hat, aus Bubbles oder Echokammern ausbrechen zu wollen. Überhaupt ein Bewusstsein darüber zu schaffen, dass das eigene Weltbild und die eigene Wahrnehmung der Dinge nicht die einzige Sichtweise ist, finde ich wichtig. Ich würde gerne Menschen zusammenzubringen, die wirklich unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, damit alle Seiten einander zuhören und voneinander lernen können.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir gerade für den ländlichen Osten ein gesundes Selbstbewusstsein, das das große Potential der Regionen anerkennt. Sich als Bürger zweiter Klasse zu fühlen, muss nicht sein, wenn man sich der eigenen Kraft und dem Wert der eigenen Identität und Erfahrungen sicher ist. So kann man diese auch kreativ einsetzen, um Innovationen und positive Veränderungen zu schaffen. Wenn man weiß, was man hat, muss man sich nach außen nicht abschotten. Allerdings müssen diese Erfahrungen, genauso wie strukturelle Unterschiede, die immer noch bestehen, auch in der Gesellschaft anerkannt und gesehen werden – ein Prozess, der meiner Meinung nach in Gesamtdeutschland noch an Fahrt aufnehmen muss.