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Osten

Stefan Zowislo

Stefan Zowislo

Stefan Zowislo ist 1963 in Mönchengladbach geboren und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Stefan wohnt aktuell in Lutherstadt Wittenberg, wo er als Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit arbeitet.

Foto: Michael Winter

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Ich bin im November 2012 nach Lutherstadt Wittenberg gekommen. Aus beruflichen Gründen, als Geschäftsführer einer Einrichtung, die bei den Vorbereitungen für das Lutherjahr 2017 eine zentrale Rolle spielte. Ich bin geblieben, weil ich hier gerne lebe und weil ich an die Kräfte von Transformation und Disruption glaube. Manchmal muss ich durchhalten.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Ich steh auf drei Beinen. Als Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit beim Caritasverband für das Bistum Magdeburg bin ich verantwortlich für die Sichtbarkeit der Caritas-Themen, -Ziele und -Anliegen. Im Nebenerwerb begleite ich Vereine und NGOs bei ihrer Kommunikation, offline wie online. Und im Ehrenamt versuche ich als ADFC-Vorsitzender in Wittenberg, sanfte Mobilität und eine damit verbundene Verkehrswende voranzutreiben.

  • 1963

    Mönchengladbach

  • Münster

  • Frankfurt am Main

  • Bonn

  • Mülheim a. d. R.

  • 2020

    Lutherstadt Wittenberg

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Nein. Mein Vater ist Oberschlesier und ist 1958 nach Mönchengladbach gekommen. Ich wohne heute näher an seinem Geburtsort als an meinem. Das ist mein Bild meiner Identität im vereinigten Europa.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Meine Familie und Freunde waren gespannt-interessiert. Anfangs waren auch viele von ihnen zu Besuch hier, doch dieses Interesse ist abgekühlt. Einmal da gewesen, meint man, es ausreichend zu kennen. Und die Erfahrungen im Osten selbst bündele ich immer in dieser Erzählung:

Als ich als ADFC-Vorsitzender kandidierte oder wenn ich Menschen z. Bsp. in unserer katholischen Gemeinde kennenlerne oder in meinem Lesekreis, fragen mich die einen: „Wie lange bist Du überhaupt schon hier?, und die anderen fragen: „Wie lange bist Du noch hier?“

Ich empfinde das als grundlegende Skepsis gegenüber all den aus dem Westen Gekommenen und denke: Sie werden ihre Gründe haben.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Auch hier eine Erzählung: Mit Argusaugen wird beobachtet, ob die ‚West-Importe‘ nach ihrem Berufsabschied hier bleiben oder wieder zurückgehen. Motto: „Hat man uns so schätzen und vielleicht auch lieben gelernt, dass die Wessis bei uns bleiben?“ Und klar: Viele Wessis haben in den 1990er-Jahren hier Karriere gemacht, die sie so schnell bei sich zu Hause nicht gemacht hätten, vielleicht sogar niemals.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Ich bin froh, hier zu sein. Ich konnte meine „Ortskenntnisse“ (Tucholsky) erheblich erhöhen, möchte wenig missen. Das Thema Ost und West ist oft und schnell Gesprächsthema – die einen erzählen gerne von früher, die anderen interessiert das Leben „damals“. Larmoyanz und Wehleidigkeit gehen mir auf die Nerven, Engagement für die Zivilgesellschaft erlebe ich zu wenig. Zunehmendes West-Bashing macht mich nervös. Fehlende Medienvielfalt ebenso. Dann fahre ich mit dem Rad durch die wunderschöne Elb-Landschaft.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Gelassenheit. Mehr zivilgesellschaftliches Engagement. Auch politisches, auch in Parteien. Weniger Skepsis, mehr Zuversicht. Auch Herzlichkeit. Besser noch: Zugewandt sein. Offenheit für Neues. Differenzierung, weniger Schwarz-Weiß. Freude über das Erreichte.