Wir sind der

Osten

Tanya Harding

Tanya Harding

Tanya Harding ist 1972 in Calgary geboren, in Alerta (beides Kanada) aufgewachsen und später nach Ostdeutschland gezogen.

Rübergemacht: Tanya wohnt aktuell in Arnstadt, wo sie als Gastronomin, Show-Köchin, Kochbuchautorin, Kochkursdozentin und Trainerin arbeitet.

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Weshalb hast du in den Osten rübergemacht?

Der Liebe wegen. Gebleiben bin ich, weil ich mich hier zuhause fühle, die Natur hier sehr genieße genau wie die Lebensqualität. Ich kann mir ein Leben außerhalb Thüringens nicht mehr vorstellen. Und das, obwohl ich als Gastronomin in einer Stadt wie Hamburg oder Frankfurt leichter hätte erfolgreich werden können.

Das Land, mit alle seine Ecken und Kanten, ist meine Heimat geworden und die Gäste und Nachbarn in Arnstadt eine Art Familie für mich. Und auch wenn wir jetzt nach Weimar ziehen, war es mir wichtig, im Osten zu bleiben. Mein Sohn ist hier aufgewachsen. Er ist mehr Deutscher als Kanadier.

Wie gestaltest du die Zukunft?

In meinem Restaurant biete ich saisonal wechselnde Gerichte mit regionalen Wurzeln und einem Hauch Internationalität. Ab September dann in Weimar, in „Tanya‘s Maple Bistro und Café“.

Jeder Thüringer Gastronom und jede gastronomische Ausbildung sollten das Regionale einbinden – vom Gemüse bis zum Porzellan. Nur so können wir eine positive, nachhaltige wirtschaftliche Zukunft im Osten sichern. Mit der IHK entwickle ich gerade den Lehrgang „Neue Regionale und Nachhaltige Küche“ und in meinen Koch-Shows, Kochbüchern und Kochkursen spielen Ost-Produkte eine große Rolle. Die Thüringer selbst sind ja eher ein bescheidenes Volk, das seine oft einmaligen Spezialitäten nicht an die große Glocke hängt.

  • 1972

    Calgary

  • Amisk

  • Alberta

  • Ottawa

  • Friedrichroda

  • Holzhausen

  • 2020

    Arnstadt

Glaubst du, Menschen in Ostdeutschland können besser mit Veränderungen bzw. Wandel umgehen?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich ostdeutsch?

Ich antworte mit „Jein“. Ich bin sehr stolz, hier im Osten zu sein und verteidige den Osten, wenn über ihn gemeckert wird. Ich fühle mich dann doch als Ossi. Aber ich bin und bleibe ein Außenseiter.

Ich fühle mich als Weltbürgerin und nirgendwo zugehörig. Wo Küche und Kind sind, ist meine Heimat. Als Kanadier fühlen wir uns etwas wurzellos. Wir haben keine homogene Identität. Wir sind von unseren Heimatländern entwurzelt, entweder aus der Not heraus oder freiwillig. Das ist eigentlich unsere Identität.

Welche Erfahrungen hast du in Ostdeutschland gemacht?

Meine kanadischen Freunde und Kunden in Ottawa und meine Familie in Alberta waren traurig. Ich habe Positives und Negatives erlebt. Nach den ersten paar Jahren mit einem Abenteuergefühl, habe ich eine auch einen großen Kulturschock erlebt, sowie Rassismus, Ausgrenzung und Missverständnisse. Deutschland kann von Kanada noch viel über wahre Integration lernen. Aber über seine neuen Heimat zu meckern, wird nicht erlaubt. Dann heißt es in einigen Kreisen: „Geh zurück wo du herkommst.“

Zum Glück genießt Kanada einen guten Ruf und ist ein beliebtes Reiseland. Meine Erfahrungen sind überwiegend positiv.

Glaubst du, Westdeutsche hatten nach der Wiedervereinigung im Osten Vorteile?

Ja, aufgrund der wirtschaftlichen Erfahrung und des eigenen Wissens über Kapitalismus und Demokratie.

Was hast du in Ostdeutschland gelernt?

Ich bin nicht hier aufgewachsen, habe Ostdeutschland und die Wende aber durch meine Eltern erlebt. Mein Vater war Blauhelmsoldat mit der UN und war zwei Jahre in Ruhrgebiet stationiert. Ich erinnere mich noch an den Mauerfall. Ich war 17 und an der Uni. Mein Vater rief mich mit Tränen in den Augen an. Er sagte, er dachte, er würde nie diesen Tag erleben. Der Mauer ist zum Teil aber noch da – in den Köpfen der Deutschen, im wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben. Wir benötigen keinen Austausch mit dem Ausland zur Völkerverständigung, sondern innerhalb Deutschlands. Ein Austausch, um viele Vorurteile beiderseits zu beseitigen, die Unterschiede besser zu verstehen und zu akzeptieren.

Was wünschst du dir für Ostdeutschland?

Dass die Menschen mehr Stolz für ihre Kultur, Wurzeln und regionalen Produkte haben. Flexibilität, Ofenheit und „thinking outside the box“. Aber das gilt nicht nur Ostdeutschland!