Thomas Frebel
Thomas Frebel ist selbstständiger Koch und Rezeptentwickler und 1983 in Magdeburg geboren und aufgewachsen.
Gegangen: Thomas wohnt aktuell in Tokio.
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Weshalb bist du gegangen?
Eigentlich wollte ich immer Profi-Fußballer werden, aber ich bin Koch geworden, weil es für mich in Sachsen-Anhalt um die Jahrtausendwende nicht viele Möglichkeiten gab. Die Arbeitslosigkeit war, wie vermutlich überall im Osten, hoch. Mein Vater hatte zu dem Zeitpunkt zwei recht erfolgreiche Bistros. Das eröffnete mir die Perspektive, dort als Koch einzusteigen und die Lokale später zu übernehmen. Das Buch „Eckart Witzigmann. Sechs Jahrzehnte“ hat mich jedoch dazu inspiriert, wie der bekannte Sternekoch die Welt zu bereisen. Ich dachte mir: Wenn ich ein guter Koch bin, kann ich leben und arbeiten, wo ich will. Ich kann auf diese Weise frei sein, auch ohne viel zu verdienen. Bis heute bin ich sehr stolz auf mich, dass ich bereits als 17-Jähriger einen solchen Entschluss gefasst habe. Und bisher hat das ganz gut geklappt. Mit 19 habe ich angefangen, als Koch in einem Restaurant in Hamburg zu arbeiten. Später bin ich in den Schwarzwald gegangen, nach Bergisch-Gladbach und von dort aus nach Kopenhagen, ins renommierte Restaurant Noma. Nach einem kurzen Zwischenstopp zu Hause habe ich anschließend beschlossen, auf Weltreise zu gehen. Ich war u.a. in Vietnam, Kambodscha, Singapur, San Francisco, Peru und Kolumbien. Danach, 2012, bin ich zurück nach Kopenhagen, ins Noma, und habe in der Abteilung Research und Development Kitchen angefangen. So bin ich auch zum ersten Mal nach Japan gekommen. 2015 war ich über einen Pop-up-Store unseres Restaurants in Tokio. Obwohl ich bis dahin schon so viel von der Welt gesehen und nie Wurzeln geschlagen hatte, hat mir mein Bauchgefühl bei der Abreise verraten: Diesmal ist es anders. Ja, ich werde wiederkommen. Ich bin noch nicht fertig mit dem Land. – Und so ist es schließlich auch gekommen. Über das Noma bin ich Co-Founder eines eigenen Restaurants, dem Inua, mitten in Tokio geworden.
Wie gestaltest du die Zukunft?
Gemeinsam zu essen und sich darüber zu unterhalten, ist für mich die schönste Art, eine Kultur zu entdecken und in sie einzutauchen. Ich möchte die Menschen mit meinem Essen glücklich machen, sie im Restaurant für ein paar Stunden ihre Sorgen vergessen lassen. Ich möchte sie dabei inspirieren und gleichzeitig aufklären: im Inua kochen wir fast ausschließlich vegetarisch. Ich bin selbst zu 80 Prozent Vegetarier und möchte zeigen, dass vegetarisch essen spannender sein kann als das Schnitzel oder das Kotelett.
Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?
Fühlst du dich Ostdeutsch?
Ich fühle mich eher als gebürtiger Magdeburger. Das ostdeutsche Leben und Wesen kenne ich nur über meine Eltern und Großeltern. Außerdem bin ich bereits sehr jung sehr viel gereist, weshalb ich mich auch sehr weltoffen fühle.
Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?
Wenn ich meine ostdeutsche Herkunft denke, dann fallen mir sofort zwei Ereignisse ein, wo die Menschen um mich herum vor Freude ausgerastet sind: die Wiedervereinigung und die gewonnene Fußball-WM 1990. Ich war damals sechs bzw. sieben Jahre alt und habe erst später verstanden, was da eigentlich passiert ist. In der Wendezeit selbst hat sich meine Familie oft im Garten meiner Großeltern getroffen. Meine Familie und das Zusammensein sind mir auch heute noch sehr wichtig. Vielleicht hat das auch mit meiner ostdeutschen Herkunft zu tun, vielleicht aber auch nicht. Ich hatte eine schöne Kindheit, es hat mir nie an irgendetwas gefehlt. Heute denke ich, dass die Wertschätzung den einfachen Dingen gegenüber damals größer war. Natürlich haben sich meine Eltern vor allem mehr Reisefreiheit gewünscht und es gab nicht jeden Tag Bananen – aber vielleicht ist es auch nicht immer gut, jeden Tag Bananen zu essen. Wir konsumieren oft unbewusst und unkritisch. Ich würde mir wünschen, dass wir viele Sachen nicht als so selbstverständlich hinnehmen.
Was wünscht du dir für Ostdeutschland?
Ich wünsche mir, dass die Ost- und West-Unterscheidung aufhört. Deutschland ist ein Teil der EU. Die Natur ist in Ost und West gleich schön, die Menschen ziehen sich selbst ihre Grenzen. Wir sollten nach 30 Jahren smarter sein und das Beste daraus machen.