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Osten

Thomas Krüger

Thomas Krüger ist Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und 1959 in Buttstädt (Thüringen) geboren, in Herrengosserstedt und Neuenhagen (Berlin) aufgewachsen.

Gegangen: Thomas wohnt aktuell in Berlin.

Foto: Gordon Welters/laif/bpb

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Weshalb bist du gegangen?

Nach meiner Ausbildung in Fürstenwalde, meinem Studium in Ostberlin und meinem Vikariat in Ostberlin und Eisenach habe ich das Examen abgelegt und eine Praktikantenstelle beim Kunstdienst der Evangelischen Kirche angetreten. Fünf Tage nach meinem Examen fiel die Mauer in Berlin. Vor der Friedlichen Revolution war ich auch als Bürgerrechtler und in der freien Kunstszene aktiv. 1990 bin ich als gewähltes Mitglied in die frei gewählte Volkskammer eingezogen, jedoch einige Monate später als Stellvertretender Oberbürgermeister und Stadtrat für Inneres im Magistrat von Ostberlin gewählt worden. Im Januar 1991 ging es dann als Senator für Jugend und Familie und 1994 als Mitglied des Bundestags weiter. Berlin ist meine Stadt, in der ich Höhen und Tiefen, den Mauerfall und die Friedliche Revolution und den Aufbruch zu einer internationalen Metropole erlebt habe. Als Präsident der bpb habe ich danach viel Zeit in Bonn verbracht und ganz Deutschland kennengelernt. Doch bei all den prägenden beruflichen Erinnerungen und Erlebnissen ist Berlin Heimat für mich geblieben.

Wie gestaltest du die Zukunft?

Als Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ist mein großes Anliegen, dass wir in Deutschland in einer pluralen Demokratie leben und eine bunte, aktive Zivilgesellschaft das Miteinander prägt. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass vermehrt auch die Menschen Interesse an politischen und gesellschaftlichen Themen haben, die wir nicht auf dem regulären Bildungsweg erreichen. Ebenso versuche ich stetig – im privaten und auch durch politische Bildung – das Schwarz-Weiß-Bild von Ost/West in unserer Gesellschaft aufzulösen.

  • 1959

    Büttstädt (Thüringen)

  • Herrengosserstedt

  • Neuenhagen (Berlin)

  • Fürstenwalde

  • Eisenach

  • Ostberlin

  • Bonn

  • 2022

    Berlin

Glaubst du, deine Wende-Erfahrung bzw. die Wende-Erfahrung deiner Familie hat dich auch für den Digitalen Wandel gewappnet?

3 von 5
Stimme gar nicht zu
Stimme voll und ganz zu

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Mal so, mal so. „Ostdeutsch“ ist meines Erachtens nach eine Erfindung aus der Zeit seit der Wiedervereinigung. Ich erlebe „ostdeutsch sein“ meistens als Zuschreibung. Dabei kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Zuschreibung ein Kontrollversuch der westdeutschen Norm ist. Und dem entziehe ich mich so gut es geht, auch wenn ich mich dabei beobachte – meistens aus solidarischen Motiven – gern auch mal „ostdeutsch“ zu sein, oder vielleicht nur zu spielen. Im Übrigen sind mir nationale Container zu spießig. Am liebsten bin ich Weltbürger.

Wie beeinflusst dich deine ostdeutsche Herkunft?

Mein Leben lässt sich in zwei Hälften einteilen, die in einander übergegangen sind. Dabei hat das Erwachsenwerden in der ersten Hälfte – der DDR – einen großen Einfluss auf die zweite Hälfte – das Erwachsensein. In der DDR habe ich mich im Bildungssystem, in der Bürgerrechtsbewegung und der freien Kunstszene an autoritären und diktatorischen Strukturen abgearbeitet – mit zunehmender Energie und auch Spaß. Mein Motto war Wolf Biermanns Song „Was verboten ist, das macht uns gerade scharf“. Insofern war die DDR rückblickend für mich eine Art Trainingslager für die Herausforderungen der Freiheit und Demokratie, in der die in der DDR erprobte Improvisation zur Schlüsselkompetenz wurde.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Dass man nicht mehr „Ostdeutschland“ sagen muss. Ich finde solche Labels und Stempel – aus welchen Motiven auch immer – wenig hilfreich und strukturell diskriminierend. Ich wünsche mir für die Menschen in Ostdeutschland mehr Repräsentation, eine laute, vor allem aber kreative Stimme und Selbstbewusstsein, dass sich die Bretter biegen. In jedem Fall und vor allen Dingen aber, dass die Menschen einen Platz in der Gesellschaft finden und nicht gegen sie.