Thomas Nitzsche

Dr. Thomas Nitzsche ist Oberbürgermeister (FDP) in Jena und 1975 in Zeulenroda geboren.

Geblieben: Thomas wohnt aktuell in Jena.

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Weshalb bist du geblieben?

Thüringer sind generell sehr heimatverbunden und die schöne Stadt Jena hat schon nach kurzer Zeit eine besonders starke Bindungswirkung auf viele, die hier leben. Für mich folgte so nach dem studentischen Drang hinaus in die Welt, viele Reisen später, der Wunsch nach Sesshaftigkeit (als die Kinder kamen).

Was hat dich motiviert, politisch aktiv zu werden?

Ich war Spätstarter, und initial war das „Kollege Zufall“. Ich habe Politikwissenschaft studiert, im Erststudium blieb aber der Gedanke, sich doch auch irgendwie in der praktischen Politik engagieren zu sollen, eher abstrakt. In der Promotionszeit kam ich am Rande einer Podiumsdiskussion zufällig ins Gespräch mit einem jungen Mann, der mich mit den Worten „mit Dir kann man wunderbar diskutieren“ tags darauf mit zu einer Veranstaltung der Jungen Liberalen nahm. Von da an ging es dann sehr rasch.

Wie überzeugst du junge Menschen, in Ostdeutschland zu bleiben und vor Ort die Zukunft zu gestalten?

Ganz Lokalpatriot: Ich wünsche mir natürlich vor allem, dass junge Menschen in Jena bleiben. Oder nach Jena kommen, um zu bleiben. Dafür spricht die Herzlichkeit und die Weltoffenheit, die man hier erlebt. Dazu die Chancen, die sich in einer wachsenden und prosperierenden Stadt immer wieder auftun. Jena als kleine Großstadt fühlt sich für viele „genau richtig“ an: Groß genug, um alles zu bieten, was man von einem reichhaltigen Leben erwartet, klein genug für kurze Wege und sehr enge und persönliche Beziehungen. Dazu malerisch gelegen im Saaletal. Aber ich will jetzt auch nicht gar zu schwärmerisch werden.

  • 1975

    Zeulenroda

  • Glasgow (UK)

  • 2021

    Jena

Fühlst du dich Ostdeutsch?

Regional fühle ich mich als Thüringer und damit in der Mitte Deutschlands zu Hause. Nun ist „ostdeutsch“ (anders als z. B. „norddeutsch“) ja aber meist politisch gemeint, mit Bezug zur ehemaligen DDR. Und den habe ich kaum. Zur Wiedervereinigung war ich 13 Jahre alt – zu jung, um eine klare Haltung zum politischen System zu haben, ganz gleich ob ablehnend oder affirmativ. Ich glaube: Schon wer nur fünf Jahre älter ist als ich, ordnet das aus der eigenen Biografie heraus anders ein, aber für Menschen etwa meines Alters und jünger ist „ostdeutsch“ als Herkunft weitgehend irrelevant.

Weshalb gibt es noch immer weniger parteipolitisches Engagement in Ostdeutschland und wie möchtest du das ändern?

Zum einen durch das gelebte Beispiel. Die Allerwenigsten von uns wissen doch schon im Kindergarten, dass sie sich später mal politisch engagieren wollen. Und wenn es beginnt, dann auch nie von null auf hundert über Nacht. Ich setze da auf sanftes Nudging, genau wie bei mir damals: Schnupper doch mal rein, und wenn’s Dir gefällt, dann bestimm selbst die Geschwindigkeit, mit der die Intensität steigt. Deswegen sind die Jugendorganisationen der Parteien so wichtig, dort kann der Einstieg ideal gelingen. Oder im Jugendparlament. Oder in Bewegungen, die sich mit Nachdruck für ein bestimmtes Thema einsetzen. Solche Strukturen zu stärken und einzubinden, ist in Jena gelebtes Ziel der Politik.

Was machst du, damit Ostdeutsche bessere Chancen haben?

Jede Chance hat zwei Seiten: Sie muss sich bieten und sie muss ergriffen werden. Chancen bieten sich, wenn eine Stadt oder Region stark und vielfältig aufgestellt ist – ökonomisch, kulturell oder im Bildungs- und im Sozialbereich. Da habe ich kommunalpolitisch einige Hebel in der Hand und verzahne, zum beiderseitigen Vorteil, die Stadt auch immer enger mit ihrem Umland. Genutzt werden Chancen von jedem/r Einzelnen, wenn viele Menschen über nur politisches Tun hinaus eine Engagement-Kultur in der ganzen Breite leben. Beides aber ist nicht spezifisch ostdeutsch, sondern eine Struktur- und Kulturfrage, die sich in den alten und den neuen Bundesländern gleichermaßen stellt.

Was wünscht du dir für Ostdeutschland?

Ich wünsche mir, dass es nur eine geografische Kategorie ist, keine politische, wenn man an den Osten Deutschlands denkt. So wie sich die Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein schon lange darin einig sind, dass man zusammen der Norden ist.